Ackerbau und Viehzucht

Ackerbau und Viehzucht


Die Getreideernte

Das Abmähen und Aufstiegen des Getreides wurde in familiärer Teamarbeit erledigt. Wenn das Getreide reif war, zog Fredi mit seinen Eltern aufs Feld. Sein Vater mähte das Getreide mit einer Sense in gleichmäßigen Schlägen ab, was ihm zum Unmut seiner Mutter nicht immer gelang. In dieser Zeit wuchs das Getreide noch deutlich höher. Fredis Aufgabe war, aus Bündeln von Getreidehalmen Strohseile zu drehen und diese auf dem abgemähten Teil des Feldes abzulegen. Seine Mutter legte mit einer Sichel armvoll das Getreide auf die Strohseile. Danach wurden die Getreidebündel mit den Strohseil zusammengebunden. Es musste alles schnell gehen, denn sie hatten sich vorgenommen an einem Tag das Getreide abzumähen. Zum Schluss wurden die Getreidegarben in der Mitte des Feldes zu Stiegen zusammengestellt. Das Getreide musste nun einige Tage trocknen, bevor es zur Dreschmaschine gefahren werden konnte. Fredi freute sich immer auf diesen Arbeitstag, weil seine Mutter Brot, Wurst, Schinken, Speck und saure Milch für eine Brotzeit mitgenommen hatte. Bei der körperlichen Arbeit schmeckte es ihnen besonders gut. Tage später stand der Transport der  Getreidegarben zu den Dreschmaschinen an den Dorfplatz bevor. Ein Ackerwagen mit Pferden eines Bauern übernahm die Abfahrt. Als es so weit war, fuhr das Pferdefuhrwerk an die Getreidestiegen heran und die Garben wurden von Fredis Vater mit der Strohgabel auf die durch zusammengesteckte Rundhölzer verbreiterte Ladefläche des Ackerwagens gereicht, die Fredi oben annahm und aufschichte. Bei einer guten Ernte hatte die Fuhre eine Höhe von mehreren Metern. Auf der Fahrt zum Dreschplatz durfte Fredi oben auf dem Wagen sitzen bleiben. Bei schönem Wetter bildete sich auf der Straße zum Dreschplatz eine lange Schlange. Hier wurden die Pferde abgespannt und das Fuhrwerk wurde mit vereinten Kräften stückweise an die Dreschmaschine heran geschoben. In der Zwischenzeit hatte Fredis Mutter einige Leute zusammengeholt, die für die Arbeiten an der Dreschmaschine erforderlich waren. Der Dreschplatz im Dorf war in der Erntezeit voller Getümmel. Zwei mit Kohle beheizte Dampfmaschinen waren über Antriebsräder mit breiten und langen Lederriemen kreuzweise verbunden. Die Dampfmaschinen dampften und zischten wie Lokomotiven und erzeugten zusammen mit den Dreschmaschinen starken Lärm. Es wimmelte vor arbeitenden Menschen und Pferdefuhrwerken. Auf der Rücktour nahmen Fredis Eltern Getreide und Spreu in Säcken und das gebundene Stroh auf dem
Ackerwagen mit und lagerten es auf dem Speicher über dem Stall ein. Von hier wurde es nach und nach verbraucht.

Der Gemüse- und Nutzgarten

Der Gemüse- und Nutzgarten bereitete die meiste Arbeit, machte Fredi und seinen Eltern aber auch Spaß. Zur Erntezeit brachten Fredis Eltern frisches Gemüse zum Verbrauch oder zur Einlagerung nach Hause. Im Gemüsegarten öffnete Fredi gern die reifen Mohnköpfe, um den sich in seiner Hand verfärbenden Mohn  frisch zu essen. Später wusste er, dass frischer Mohn nicht nur schön blüht, sondern auch eine Opiumpflanze ist. Auch Erbsenschoten, Tomaten und Gurken wurden auf dem Feld geerntet. Frische Maiskolben wurden gekocht und mit Butter und Salz bestreut. Fredis Eltern hatten auch Tabak angepflanzt, den sie zu Hause auf einem Faden zum Trocknen aufhängten. Der  Gemüsegarten war aber auch bei den auf dem Feld arbeitenden Landfrauen ein Ort der Begierde. Im Vorbeigehen rissen sie Früchte aus dem Boden und warfen sie in ihre Kiepen, die sie auf dem Rücken trugen. Anschließend konnte Fredis Mutter den Flurschaden beweinen.

Das Kartoffelfeld

Das Kartoffelfeld bereitete viel Arbeit. Im zeitigen Frühjahr hackte Fredis Mutter Löcher in den Boden, in die Fredi Pflanzkartoffeln  legte. Die Kartoffelpflanzen wurden später mit einer Hacke in Reihen angehäufelt. Mühsam war vorher das Mistausfahren. Im Herbst wurden die Felder mit Pferden gepflügt. Alles war reine Ökobewirtschaftung. Frust kam bei Fredi auf, wenn das kleine Häuflein vom Handwagen auf dem großen Feld abgeladen wurde. Etwas Entschädigung hatte Fredi auf der Rückfahrt, weil er sich auf der abschüssigen Strecke in den Handwagen begeben konnte. Als die Kartoffelpflanzen größer wurden, folgte die Tortur mit den Kartoffelkäfern. Diese mussten entweder abgesucht oder eingesprüht werden. Mehr Spaß machte dagegen im Herbst die Kartoffelernte. Fredis Aufgabe war jetzt, die Kartoffeln mit einzusammeln, um sie dann in Säcken mit einem Pferdegespann zum einkellern nach Hause zu bringen. Großen Spaß hatte Fredi beim verbrennen des trockenen Kartoffelkrautes. Hierbei trafen sich Kinder und Erwachsene auf den Feldern, um das abgetrocknete Kartoffelkraut zu großen Haufen zusammenzutragen und es anzuzünden. In die Glut kamen die noch vorgefundenen Kartoffeln. Während die Mutigen über die Glut sprangen, suchte Fredi mit einem Stock die verkohlten Kartoffeln aus der Asche. Die qualmenden Kartoffelfelder waren ein deutliches Zeichen des Herbstanfangs.  

Das Vieh

Fredis Kindheitserinnerungen stehen im engen Zusammenhang mit den Haustieren. Die Tiere dienten der Selbstversorgung. Der Überschuss wurde verkauft oder verschenkt. Was für seine Eltern früher die Kuh war, waren jetzt die Ziegen im Stall. Eines Tages bekamen sie ein kleines Ferkel, das sie aus Platzmangel zusammen mit einem Zicklein großzogen. Daraus wurde eine unzertrennliche Freundschaft. Ziegenmilch war ein tägliches Nahrungsmittel. Fredi trank diese Milch, auch wenn seine Freunde sich davor schüttelten. Quark und saure Milch wurden ebenfalls daraus zubereitet. Wenn Ziegen viel Milch gaben, wurde der Überschuss in einer kleinen Kanne an die Molkerei geliefert. Dafür gab es frische Butter und Buttermilch. Von den großgezogenen Schweinen wurde eins als „Spitzenschwein“ an den Staat verkauft. Das andere wurde geschlachtet. Auch Federvieh, wie Hühner, Enten und Gänse zogen sie groß. Die Gänse wurden mit Maiskörnern gestopft, und ihnen wurden bei lebendigem Leib die Daunenfedern rausgerupft. Geschlachtete Gänse wurden vor Weihnachten auch an seine Geschwister nach Westdeutschland geschickt. Fredi erinnert sich, wie er das Schlüpfen der Küken beobachtete. Die frisch geschlüpften Küken wurden mit kleingehackten hartgekochten Eiern gefüttert. Da Fredi von Geburt an bei den Tieren war, erkannten sie ihn später auch auf dem Hof. Zu seinen Aufgaben in den Sommerferien gehörte das Hüten der Gänse und Ziegen auf dem Anger. Da die Ziegen angepflockt wurden und die Gänse frei herumliefen, konnte er mit den anderen Kindern spielen. Den Rückweg fanden die Tiere allein. Zwischendurch fraßen sie am Straßenrand Gras. Als Kinder machten sie auch Dummheiten. So gaben sie den Tauben in Alkohol eingeweichte Erbsen zu fressen und freuten sich, wenn sie torkelten. Tauben wurden auf allen Höfen gezüchtet. Auch am Haus gab es auf der Hofseite einen großen Taubenschlag. 

Bevor Fredi und seine Eltern das Stück Ackerland hatten, mussten sie mühsam das Futter für die Tiere zusammensuchen. Da in der schlechten Zeit jeder Quadratmeter Grünfläche im Privatbesitz war, standen nur die Ränder des Ziethe-Flusses zur Verfügung. Hier wuchsen aber eher Brennnesseln und Unkräuter und nur wenig Gras. Brennnesseln wurden in Säcken für das Schwein herangeschleppt. Hierbei rutschte Fredis Mutter einmal in den schmutzigen Bach. Da die Kaninchen nur Gras fraßen, rupfte Fredis Vater schon mal etwas Gras an den Wegrändern. Eines Tages ging Fredi mit seinem Vater Gras für die Kaninchen rupfen. Als sie ein Grasbüschel in einen Beutel steckten, wurden sie von  einem Mann beschimpft. Dieser Tonfall löste bei Fredis Vater  Zorn aus. Er nahm dass Gras aus dem Beutel und steckte es dem Mann in seine große Schürzentasche. Während Fredi ängstlich die Situation betrachtete, wandte sich sein Vater grinsend von dem Mann ab und ging mit ihm an der Hand davon. Fredi wurde hierbei bewusst, dass man sich nicht immer alles gefallen lassen muss.