ÜBER DIE BESIEDLUNG DER DEUTSCHBÖHMEN IN DER BUKOWINA
“NUR ZWAA LEERE HÄND . . .”
ÜBER DIE BESIEDLUNG DER DEUTSCHBÖHMEN IN DER BUKOWINA
von Claus Stephani (Baldham/Munich, Germany)
*Printed in Neuer Weg (Bucharest), Vol. 31, No. 9469, Oct. 30, 1979, p. 6.
Nach der Besitzergreifung des Buchenlandes durch Österreich (1775) kamen zuerst vorwiegend deutsche Beamte ins Land, die sich in den Städten Rădăuţi (Radautz), Siret (Sereth am Sereth), Suceava (Sutschawa) ansiedelten und verschiedende Ämter in der Verwaltung und im öffentlichen Leben bekleideten; diese Zuwanderer waren meist Österreicher, Deutschböhmen und Deutsche aus Galizien. Ihnen folgten in den achtziger und neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts grössere Ansiedlergruppen–Zipser Sachsen, Deutschböhmen, Schwaben, die eine Reihe von Ortschaften gründeten, so z. B. Fundu Fieru bei Jacobeni (Eisenthal am Eisenbach), 1784, Cirlibaba Vechi (Mariensee), 1797, Cirlibaba Nouă (Ludwigsdorf), 1797/98 u.a.
Als man im südlichen Buchenland die ersten Glashütten zu errichten begann, importierten die Moldau und die Walachei Glaswaren hauptsächlich aus Böhmen, Schlesien und Norditalien; so hoffte man, hier bedeutende Absatzmärkte erschliessen zu können. Schon 1782 wurden Glasarbeiter aus der Gegend von Göttingen, die Johann Kamm, ein aus Waldheim in Böhmen stammender Glasmacher, zur Ansiedlung in Galizien angeworben hatte, in die Gegend von Crasna (Krassna) gebracht; doch vergingen noch zehn Jahre bis die Siedlung Glăjăria Veche (Althütte) errichten werden konnte: Es kamen nun – “gegen mündliche Zusage von Lohn und Unterkunft” – grössere Gruppen von deutschböhmischen Facharbeitern nach Althütte. Als dann nach einigen Jahren weite Waldstrecken abgeholtz waren und die Holzzufuhr beschwerlich wurde, errichtete man in Tschudiner Wäldchen die Glăjăria Nouă (Neuhütte), wo wieder deutschböhmische Glasarbeiter angesiedelt wurden, nachdem die Althütter sich inzwischen auch mit Landwirtschaft zu beschäftigen gegannen. Die dritte Glashütte entstand – ebenfalls mit Hilfe von deutschböhmischen Einwanderern – 1797 in der Nähe des Klosters Putna. Die meisten Arbeiter kamen aus der alten galizischen Glashütte Lubatschow, die kurz vorher aufgelassen worden war. Die Siedlung Glăjăria Putna (Putnerhütte; Hütte Putnathal) bestand dreissig Jahre lang. Eine vierte Glashütte war1803 im Gemeindebereich der berühmten Töpfersiedlulng Marginea (Mardschina) auch durch deutschböhmische Glasmacher gegründet worden: sie erhielt den Namen Voivodeasa (Fürstenthal).
Bedeutend war die Zahl der deutschböhmischen Einwanderer jedoch erst in den dreissiger Jahren des 19. Jahrhunderts – in zeitgenössischen Dokumenten wird ein “Siedlerstrom” vermerkt –, als über zwanzig verschiedene “Ansiedlungswerber im Böhmerwald unterwegs sind.” So meldeten sich am 16. Juni 1835 beim k.u.k. -Wirtschaftsamt Solka 73 Familien zur Ansiedlung auf Staatsgründen, wovon 54 aus dem Prachiner Kreis – aus Langendorf, Seewiesen, Sattelberg, Rehberg, Unterreichenstein u.a. – und die übrigen aus verschiedenen Gemeinden, so auch aus Bayern, stammten.
Die deutschböhmischen Ansiedler die sich im Juni 1835 in Solka gemeldet hatten, waren zum Grossteil Handwerker und Bauern; es gab unter ihnen fünf Holzhauer, vier Weber, zwei Fleischhauer, zwei Maurer und je einen Zimmermann, Fassbinder, Schmied, Tischler, Schumacher, Bäker, Schmelzer, Wagner und Schneider.
Die Abgeordneten der Ansiedler hiessen Christoph Reichhardt, Georg Hellinger und Johannes Schaffhauser; sie handelten mit den Lokalbehörden in Solka die Bedingungen aus, unter denen ihre Landsleute 1835 am Humorabach “untergebracht” wurden und die Siedlung Boureni (Bori) – heute ein Stadtteil von Gura Humorului – gründen durften. Dieses war die erste deutschböhmische Bauernkolonie im Buchenland.
Bald nach der Gründung der deutschböhmischen Siedlung Dealu Ederul (Lichtenberg), 1835, ersuchte die Bukowiner k.u.k.-Bezirksverwaltung das Prachiner Kreisamt (Böhmen), vorläufig keine Ansiedler mehr ins Buchenland zu schicken, da man sie wegen des nahenden Winters nicht unterbringen könne. Doch schon am 28. Dezember 1838 meldete sich wieder eine grössere Anzahl von Deutschböhmen.
Im März 1837 erklärte die Bukowiner Bezirksverwaltung, dass mehrere hundert Familien “in den öde liegenden Waldabschnitten bei Stulpikany und im oberen Humoratale untergebracht werden“ könnten. Gleichzeitig sollten hier auch deutschsprachige slowakische Waldarbeiter aus der Unterzips (Gründlerland) angesiedelt werden. Im September desselben Jahres meldeten sich dann noch einundsechzig “Ansiedlungswerber,” die sich in dem schon bestehenden Walddorf Boureni (Bori) niederliessen.
Die wirtschaftliche Lage der Deutschböhmen war in vieler Hinsicht, wie schon erwähnt, schwieriger als die der Zipser – die am Rande der Ostkarpaten als Holzfäller, Flösser und Bergarbeiter angesiedelt worden waren – und der sogenannten Schwaben, denen man meist guten Ackerboden in der Nähe von Rădăuţi (Radautz) und Suceava (Sutschawa) zugeteilt hatte. So vermerkt Raimund Friedrich Kaindl in einer Schrift über die deutschböhmischen Ansiedler (“Deutsche Arbeit in der Bukowina,” 1902), dass “ihr Los in mancher Hinsicht ein härteres war, als jenes der im 18. Jahrhundert angesiedelten Ackerbauern. Abgesehen davon, dass auch sie erst nach jahrelangem Herumirren und Darben ihre Ansiedlung erreichten, ist ihnen bei weitem nicht jene weitgehende Unterstützung zuteil geworden. Sie erhielten weder Reisegelder noch andere Geldunterstützungen; für die Anschaffung von Wirtschaftsgeräten, Vieh und dergleichen mussten sie selbst Sorge tragen. Für den Hausbau erhielten sie nur das rohe Material unentgeltlich . . .”
Die Deutschöhmen waren jedoch nicht nur Bauern – und darauf soll anschliessend noch einmal hingewiesen werden –, sie waren berühmte Glasmacher, und ihre kunstvollen Erzeugnisse wurden im ganzen Buchenland und auch in der Moldau verkauft. Zu erwöhnen wäre auch der Beitrag deutschböhmischer Holzschläger, Hüttenmaurer und anderer Handwerker, die besonders in der Gegend von Voivodeasa (Fürstenthal) und Marginea (Mardschina) sich als fleissige und begabte Arbeiter bewärt haben. So vermerkte der Zipser Erzähler Johann Schneider-Freudenthal (gest. 1977) in seinen Aufzeichnungen: “Die Pehmer san anders bei mir, beil sie kinnen orpaitn aach dann, bann sie nix hobn zu essn und trinkn, nur zwaa leere Händ . .