Katharina, der letzte Winter im Buchenland


Katharina, der letzte Winter im Buchenland von Alfred Wanza

Buchenland, ein Land, das in Vergessenheit geraten ist, wie die deutschen Bewohner, die einst darin lebten. In seinem historischen Roman bezieht sich der Autor in einer dramatischen Familiengeschichte auf Erzählungen seiner Eltern und auf Aussagen von Zeitzeugen und macht auf diese Weise auf die Geschehnisse einer vergessenen deutschen Volksgruppe, die von Hitlerdeutschland „heim ins Reich“ geholt wurde, aufmerksam. Altes Wissen gerät so wieder in den Vordergrund.

Katharina erlebt als Jugendliche gemeinsam mit ihren Eltern den letzten Winter im Buchenland, wie die deutschen Bewohner die Bukowina nennen, bevor sie in eine ungewisse Zukunft aufbrechen muss. Schicksaalschläge und dramatische Veränderungen begleiten sie auf ihrem Weg.


Inhaltsverzeichnis der letzte Winter im Buchenland

Winter in den Karpaten
Zu Besuch bei Rosanah
Der Alltag in Poschoritta
Das Kathreinfest
Vater hat Probleme
Weihnachtszeit in Poschoritta
Katharina und Viorel
Weihnachten in den Karpaten
Baba erzählt von früher
Baba ist krank
Sorge um die Mutter
Ostern in Poschoritta
Essen für den Vater
Sommergäste
Die Umsiedlung
Die Ankunft im Lager
Was geschieht mit Willi und Dora
Die Ansiedlung in Oberschlesien
Die Flucht
Das Drama im dritten Waggon  
Die Rückkehr
Willi und Dora  
Die Ausreise  
Ankunft in der neuen Heimat  
Impressum


Vorwort zum Roman der letzte Winter im Buchenland

In dem Land in dem Du lebst

Stell dir vor, dein Haus und Grundstück befindet sich in einem Tal umgeben von Bergen, Wäldern und Gebirgsflüssen. Die üppige Natur bietet dir und deiner Familie einen schönen Lebensraum. Die Anpassung an die Natur macht aus dir einen bescheidenen und zufriedenen Menschen. Ohne Elektrizität und durch die Arbeit deiner Hände führst du in heimischer Nachbarschaft ein zufriedenes Leben. Du gehst deinen Lebensgewohnheiten nach und erfreust dich an den Bräuchen und Sitten deiner Landsleute und befreundeter Menschen anderer Herkunft. Die Menschen, die nicht deinen Glauben haben, bereichern dein Leben, denn du begegnest ihnen mit Respekt. Du vermisst nicht viel, obwohl du nicht reich bist. Mit Häuschen, einem Stück Land und eigenen Tieren versorgst du dich und deine Familie. Die Natur hilft dir dabei. Du fängst Forellen im Gebirgsbach hinter deinem Garten, deine Kinder pflücken Beeren und sammeln Pilze im Wald. Holz für den kalten Winter gibt es in Hülle und Fülle. Aufgrund deiner Fähigkeiten bist du in der Lage dein eigenes Brot zu backen und Vieles selbst herzustellen. Du kannst Weben, Nähen, Stricken und vielmehr. Du kaufst nur Dinge hinzu, die du nicht selbst herstellen kannst. Dein Geschick ist eine wichtige Lebensgrundlage. Im Winter verbringst du die Abende mit Handarbeit in geselligen Stunden mit deinen Nachbarn. An lauen Sommerabenden sitzt du mit ihnen auf der Bank vor dem Haus und genießt den Sonnenuntergang und die „blauen“ Stunden. Es werden Geschichten erzählt, es wird gesungen und auch schon mal getanzt. Man geht mit den Hühnern schlafen und steht mit ihnen auf.
Nur krank werden darfst du nicht, denn den Arzt musst du bezahlen, eine Versicherung gibt es nicht. Bei bedrohlichen Krankheiten musst du schon mal ein Schwein verkaufen, damit du den Doktor bezahlen kannst. Es stört dich wenig, dass in den Wäldern drumherum Bären und Wölfe leben. In den Städten sind die Menschen zwar gebildeter, aber nicht eingebildet. In ihren Häusern gibt es Strom, Zentralheizung und Haushaltsgeräte. In der Hauptstadt gibt es Straßenbahnen und eine deutschsprachige Universität, die Dichter und Denker hervorbringt. Viele Juden haben sich der deutschen Kultur verschrieben. Czernowitz ist, wie die Bukowina, ein Mikrokosmos mit vielen Völkern und Kulturen. Der Unterschied zwischen den Städten und dem Ort, in dem du lebst, ist groß, und trotzdem kommt kein Neid auf. Städter kommen zur Sommerfrische in dein Haus. In dem Land in dem du lebst hast du deinen Platz gefunden, eine Heimat. Nur besondere Ereignisse können dazu führen, dass du dir eine neue Heimat suchen musst. Schon seit Kindestagen hat Katharina gelernt mit Veränderungen umzugehen. Sie ist eine pubertierende, moderne Jugendliche, die die Veränderungen erkennt und ihre Eltern, die rund um die Uhr arbeiten, wachzurütteln versucht. Es sind politische Ereignisse, die ihr Leben bestimmen und ein ganzes Land umwälzen. Ob sie die Kraft haben wird die Folgen zu überwinden, wird sich zeigen. Ob sie dabei auch Glück haben wird, wird sich ebenfalls zeigen. Mit welchen Schwierigkeiten der Verlust der Heimat verbunden sein kann, wird Katharina und ihre Familie am eigenen Leib erfahren. Ihre Vorfahren waren als Siedler aufgebrochen, um für ihre Familien ein besseres Leben zu sichern. Diese Vorfahren ließen sich nach Zwischenstationen im 18. Jh. in der Bukowina, die sie Buchenland nannten, nieder. Ganz am Ende sind diese Menschen wieder dort angekommen, wo vor Jahrhunderten ihre Vorfahren aufbrachen, in Deutschland. Zufall oder Schicksal, und wie es Katharina ergeht werden wir im Roman erfahren.



Winter in den Karpaten

Der Winter in den Waldkarpaten ist eine große Herausforderung für die Natur und für die Tiere in den Wäldern, aber auch für die Menschen. Und trotzdem lieben ihn ihre Bewohner in den Bergdörfern. Trotz meterhohem Schnee und starken Minusgraden. Sie kennen es nicht anders, sie leben  naturverbunden.

Wir schreiben das Jahr 1939. Früh legt sich eine meterhohe Schneedecke über das Dorf. Der Frost treibt die Menschen in den tiefen und schattigen Tälern in ihre Häuser. Die gemauerten Öfen in den Wohnküchen erwärmen ihre Häuser. Holzhäuser, die mit Holzschindeln gedeckt sind, vertragen sehr viel Wärme. In den Steinhäusern mit Ziegeldächern ist es nicht gemütlicher. Erst wenn es drinnen warm wird tauen die Eisblumen an den Fenstern ab. Petroleumlampen geben in den dunklen Tagen nur schwaches Licht. Holz knistert im gemauerten Küchenherd. Durch Ritzen in der Herdplatte flackert der Feuerschein an die Decke.

Katharinas Familie hat es sich gemütlich gemacht. Heute wird nicht Wolle gesponnen oder Stoff gewebt, heute erzählen sie ihre Geschichten. Ob wahr oder unwahr, ob von früher oder von heute, sie sind spannend, gruselig und manchmal auch fröhlich. Meist erzählen sie ein Stück aus ihrem Leben oder dem ihrer Vorfahren. Geben also Erzähltes wieder. Spontan wird gelacht, gesungen und manchmal auch geweint. So sind die Menschen in den Karpaten.

Die Natur und das Leben haben sie einfach, fleißig und gläubig geformt. Reichtum ist woanders. Hier leben sie eng mit Nachbarn zusammen, von denen sie Hilfe erwarten können. Dabei kommt es nicht auf die Sprache oder Religion an. Man braucht sich und das schweißt zusammen.

Die unterschiedlichen Lebensgewohnheiten und Bräuche sehen sie als Bereicherung. Sie gehen in andere Häuser und blicken auch in die Küchen. Sie wissen wie es Böhmisch, Rumänisch oder Jüdisch schmeckt, denn sie probieren es selbst aus. Jede Jahreszeit hat ihren eigenen Speiseplan. Respekt und Toleranz ist ihnen in die Wiege gelegt. Die Natur hat die Bewohner bescheiden und gläubig gemacht. Das Leben ist einfach und schön. Krankheiten werden nur mit Haus- und Naturmitteln behandelt.  


Geschichte des Buchenlandes (Bukowina)

Die Kaiserin Maria Theresia von Österreich (1717-1780) übernahm nach dem österreichischen Herrscher und deutschen Kaiser Karl VI. im Jahre 1740 die Herrschaft über die österreichische Monarchie. Ihr Sohn Joseph II., Erzherzog im Erzherzogtum Österreich und gleichzeitig deutscher König und ab 1765 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation war Mitregent. Durch die erste Teilung Polens und den Anschluss Galiziens an Österreich bekam die spätere Bukowina eine besondere Bedeutung für Österreich. Besonders Kaiser Joseph II. war daran interessiert, dieses Durchgangsland für Österreich zu sichern. Neben der militärischen Bedeutung kam später die wirtschaftliche hinzu. Glückliche Umstände erlaubten den Österreichern 1774 die militärische Besetzung der nördlichen Moldau und die Vereinbarung einer Übernahme von den Osmanen. In dem Land lebten damals 60.000 Einwohner. Es waren überwiegend landlose Bauern, Hirten, Nomaden und arme Menschen, die auf Pachtland der Bojaren und der Kirchen und Klöster angewiesen waren. Damit begann in den östlichen Waldkarpaten eine neue Ära für das Deutschtum und die römisch-katholische Kirche.

Die Generäle Gabriel Freiherr von Splény (1774-1778) und Karl Freiherr von Enzenberg (1778-1786) übernahmen die Entwicklung der Bukowina als Landesteil Österreichs, die im Verlauf der nachfolgenden Jahrzehnte ein Musterland der Monarchie werden sollte. Mit ordentlicher wirtschaftlicher Versorgung, einem gut organisieren Verwaltungs- und Schulsystem, einem funktionierenden Kultur- und Vereins leben sowie einem Pressewesen und einem Landtag mit einem Nationalitätenparlament, das dem Kronland den Bukowiner Ausgleich erarbeitete, sollte ein Europa im Kleinformat entstehen.Unter Kaiser Franz Joseph I., für den die Bukowina viel bedeutete, bekam sie 1849 den Status eines autonomen Kronlandes mit dem Titel eines Herzogtums zugesprochen. 1875 schenkte er der Hauptstadt Czernowitz die östlichste deutschsprachige Universität, die er ursprünglich in Salzburg errichten lassen wollte.

Durch Aufteilung der Grundstücke auf die vielen Kinder war der Boden der Siedler schon Ende des 19. Jh. knapp geworden. Das führte dazu, dass deutsche Familien bereits ab 1886 den Werberufen aus USA und Kanada folgten und aus der Bukowina nach Übersee auswanderten. Auch in Venezuela, Brasilien und anderen Ländern ließen sich Buchenlanddeutsche nieder. Heute sind deren Nachkommen über die Welt verstreut. Gemäß der Volkszählung von 1910 gab es in der Bukowina über 800.000 Bewohner. Die Anzahl der Deutschen lag bei 9,2 %. Weitere Landesbewohner stellten die Ruthenen (Ukrainer) 38,4 %, die Rumänen mit 34,4 %, die Juden mit 12,0 % und Bewohner anderer ethnischer Zugehörigkeit wie Polen, Armenier, Ungarn, Lippowaner, Slowaken u.a. 6,0 %. Mit Beginn der rumänischen Herrschaft hatte die Bukowina 850.000 Bewohner, davon über 70.000 Deutsche. Noch vor Ende des Ersten Weltkrieges verstarb Kaiser Franz Joseph I.. Kaiser Karl I. übernahm für kurze Zeit die Regentschaft. Nach dem Ersten Weltkrieg (1918) ging die Habsburger Monarchie unter und die Bukowina wurde Rumänien zugesprochen. Danach verschlechterte sich die Situation für die Deutschen und alle nicht rumänischen Minderheiten, obwohl die Lebensgewohnheiten der Bewohner bestehen blieben. Die deutsche Amtssprache und deutsche Schulen wurden abgeschafft. Die sprichwörtliche Toleranz der Bewohner hatte eine Atmosphäre geschaffen, die die neuen Machthaber mittragen mussten. Nach Besetzung der Nordbukowina mit der Hauptstadt Czernowitz durch die Sowjetunion im Jahr 1940 wurden die Deutschen aus der Nord- und kurz darauf auch aus der Südbukowina von den Nationalsozialisten „heim ins Reich“ beordert. Hierüber waren zwischen Deutschland und der Sowjetunion und Rumänien Verträge ausgehandelt worden. 1940 wurden ca. 100.000 Personen umgesiedelt. Mit der Umsiedlung verfolgte Hitler eigene Interessen. Die Besiedlung des besetzten Polens, die Verstärkung beim Bau von Rüstungsgütern und neue Soldaten für die Front. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits weitere Kriegspläne. Viele von den in der Bukowina verbliebenen oder dorthin zurück geführten Deutschen wurden von den Sowjets nach Sibirien deportiert. 1945 erfolgte nach Kriegsende die große Flucht welle aller Deutschen aus den Ostgebieten Richtung Westen.