Bukowina: Historisches multiethnisches Grenzland
Die Buchenlanddeutschen im Fokus (1774-1940)
Prägende Spuren des Deutschtums im multiethnischen österreichischen Kronland Bukowina

Alfred Wanza (l) und Emilian Fedorowytsch (r)
im Gästehaus der Familie Sava (Südbukowina)
Bukowinafreunde bieten der breiten Öffentlichkeit umfassende Informationen über die historische Bukowina und die Buchenlanddeutschen.
Bukowina: Historisches Grenzland am östlichen Karpatenbogen
Führt man den Zeigefinger auf der Landkarte Europas in den Nordosten Rumäniens, bis zur Stadt Suceava und von dort beginnend über die rumänisch-ukrainische Grenze hinaus, bis zur 40 km dahinter liegenden heute ukrainischen Stadt Černivci (ausgesprochen Tscherniwzi), weitere Schreibweisen: Czernowitz (deutsch) frühere Bezeichnung Tschernowitz, Cernăuţi (rumänisch), Czerniowze (poln.) – dann quert man das Gebiet, in dem sich zwischen 1775 und 1918 das kleinste, östlichste und multinationalste Kronland Österreichs befand, die Bukowina – von den Deutschen in der Übersetzung auch Buchenland genannt.
Über mehrere Generationen hinweg war die Bukowina zugleich das Heimatland vieler Buchenland-Deutscher.
Die historischen Buchenlanddeutschen – Siedler und Aufbau-Pioniere der Bukowina
Bereits ab 1782 folgten deutsche Siedler aus Südwestdeutschland, Böhmen, der Zips und der Österreichischen Monarchie dem Werberuf Österreichs und ließen sich in der seit 1774 zum Habsburger Imperium gehörenden am östlichen Karpatenbogen liegenden Bukowina nieder, wo sie mit fast einem Dutzend Nationalitäten verschiedenster Religionsbekenntnisse friedlich zusammenlebten, eine prosperierende kulturelle und wirtschaftliche Struktur aufbauten und die Bukowina unter Habsburgischer Oberhoheit dem westlichen Kulturkreis zuführten.
Zu den Ergebnissen zählten eine ordentliche wirtschaftliche Versorgung, ein ausgefeiltes Verwaltungs- und Schulsystem, ein blühendes Vereins- und Kulturleben, ein breit gefächertes Pressewesen und letztendlich ein Landtag und ein Nationalitätenparlament, das dem Kronland den Bukowiner Ausgleich erarbeitete.
In der Bukowina entstand auf der Fläche von 10.442 Quadratkilometern (entspricht ungefähr der Größe des österreichischen Bundeslandes Kärnten) ein Modell für ein vereintes Europa im Kleinformat.
Die Anzahl der Landesbeswohner stieg unter der Herrschaft Österreichs und prägendem Einfluss des Deutschtums innerhalb von 144 Jahren von etwa 75.000 auf über 800.000 Personen an. Die Bukowina entwickelte sich zum multinationalsten Kronland der Österreichischen Monarchie. Sie war zugleich das östlichste und kleinste.
Gemäß der Volkszählung von 1910 lag die Anzahl der Deutschen in der Bukowina bei 9,2 %. Weitere Landesbewohner stellten die Ruthenen (Ukrainer) mit 38,4 %, die Rumänen mit 34,4 %, die Juden mit 12,0 % und Bewohner anderer ethnischer Zugehörigkeiten wie Polen, Armenier, Ungarn, Lippowaner, Slowaken u.a. 6,0 %
Im Jahre 1918 übernahm Rumänien die gesamte Bukowina. Österreich musste aufgrund der Kriegsereignisse auf sein östlichstes Kronland verzichten. Während der Norden des Landes, beginnend mit der zweiten Hälfte des Jahres 1940, von den Sowjets okkupiert wurde und heute samt der ehemaligen Hauptstadt der Bukowina Czernowitz Bestandteil des ukrainischen Staatsgebietes ist, verblieb die Südbukowina bei Rumänien.
Auf Basis des Molotow-Ribbentrop-Abkommens und einer weiteren Vereinbarung mit Rumänien wurden gegen Ende 1940 im Rahmen der Umsiedlung der Buchenland-Deutschen (Heim ins Reich) innerhalb weniger Monate insgesamt 95.770 Personen aus der Nord- und kurze Zeit danach auch aus der Südbukowina Richtung Deutschland umgesiedelt. Sie kamen in vorbereitete Lager, von wo aus sie überwiegend in den Ostgebieten ansässig gemacht wurden und 1945 zusammen mit anderen Vertriebenen geflohen sind. Eine größere Anzahl von von ihnen – zumeist Facharbeiter – kam in die „Hermann-Göring-Werke“ (jetzt Salzgitter AG) nach Salzgitter-Lebenstedt.
Nach Kriegsende beteiligten sich die deutschen Umsiedler aus der Bukowina am Aufbau des zerstörten Landes und gründeten bereits 1949 in der Bundesrepublik Deutschland die Landsmannschaft der Buchenlanddeutschen (Bukowina) e. V. (Registerlöschung 2020). Nach 1989 bekamen auch die in der ehemaligen DDR angesiedelten Buchenlanddeutschen Zugang zu diesem Verband. In Österreich besteht ein eingeständiger Verband unter der Bezeichnung „Landsmannschaft der Buchenlanddeutschen in Österreich“.
Die heutigen Buchenlanddeutschen in der Nord- und Südbukowina
Derzeit dürften in der Südbukowina einschließlich der Nachkommenschaft nur noch wenige Tausend Deutsche (Stand 2009) leben, während die entsprechende Zahl in der Nordbukowina bei wenigen Hundert liegt. Einige sind entweder 1940 nicht umgesiedelt oder – bereits nach Umsiedlung – im Verlauf der Kriegsereignisse aus östlichen Teilen Deutschlands in die Bukowina rückgeführt worden, ohne Erstattung ihres früheren Eigentums. Andere sind nach der Deportation aus Sibirien zurückgekehrt. Nach der politischen Wende 1989/1990 organisierten sich die noch in der Südbukowina lebenden Deutschen im neu gebildeten Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR). Ehemalige Kultureinrichtungen wurden den deutschen Vereinen zum Teil zurückerstattet. Die früheren deutschen Kirchengemeinden wurden mit deutscher und internationaler Hilfe teilweise wieder aufgebaut. Gebäude und Einrichtungen der deutschen Foren wurden mit bescheidenen eigenen Mitteln wieder in Betrieb genommen. Hier fehlt es noch an vielem. Gute deutsche Literatur ist noch recht spärlich vorhanden oder sie ist nicht benannt. Das in der Südbukowina bestehende Regionalforum Buchenland, das auch intensive Verbindungen zu den Bukowiner Kulturvereinen anderer Ethnien sowie zu Schulen und Behörden unterhält, befindet sich in der Stadt Suceava. In Radautz besteht ein Verein der Buchenlanddeutschen Radautz.
In der Nordbukowina ist der „Österreichisch-Deutsche Kulturverein“ im Deutschen Haus in Czernowitz ein wichtiger Ansprechpartner. Im Jahr 2010 bestand das Haus an der Herrengasse 100 Jahre seit seiner Eröffnung. Hier stößt man bei Besuchen des öfteren auf deutschsprachige Touristen und Studenten oder Dozenten der Universität Czernowitz. Letztere sind an kulturellen Kontakten und der deutschen Sprache interessiert.
Viele der noch in der Bukowina lebenden Deutschen sind Mitglieder dieser Vereinigungen und pflegen, zum Teil mit ihren einheimischen Ehepartnern und Nachkommen, die deutsche Sprache und das deutsche kulturelle Erbe. Es finden regelmäßige Treffen statt. Auch Angehörige anderer Volkszugehörigkeit sind als Gäste willkommen und nehmen die Kontakte gerne wahr. In Gesangvereinen werden Volks- und Kirchenlieder der Bukowina gesungen. Der Besuch des Gottesdienstes ist vielen eine Herzensangelegenheit und fördert die gegenseitigen Verbindungen.
In all diesen Kreisen wird, ganz im Sinne des bukowinischen Geistes, gegenseitige praktische Hilfestellung geleistet. Die Deutschen in der Bukowina interessieren sich sehr für die Ursprungsheimat ihrer Vorfahren, sie sind sehr gastfreundlich, treten aber eher zurückhaltend auf. Es bestehen keinerlei Integrationsprobleme. Die Deutschen besitzen keinen Sonderstatus und müssen mit den dort üblichen Lebensbedingungen zurechtkommen. Rentner und chronisch Kranke können mitunter die Unterstützung von dritter Stelle gut gebrauchen.
Aktuelles
Der Altersdurchschnitt der in Rumänien verbliebenen Deutschen und ihrer Nachkommen ist recht hoch, so dass deren Gesamtzahl weiter sinken dürfte. Unserer Einschätzung nach ist die Anzahl der sich offen zum Deutschtum bekennenden Buchenlanddeutschen parallel zum Rückgang der Deutschen in Rumänien einzustufen Dieser bewegte sich im Zeitraum 2009 bis 2024 in Richtung 50 %. Die in den Statistiken für die Bukowina ausgewiesene Zahl der Deutschen liegt 2024 bei rund 1000 Personen. Demographie, Auswanderung und Integrationen in den rumänischen Kulturkreis sowie vereinzelt auch eine Abkehr von deutsch geprägten Strukturen sind Gründe für das Schrumpfen der deutschen Ethnie. Durch wirtschaftliche und kulturelle Förderung könnte dieser Prozeß deutlich verlangsamt werden, was auch im Interesse Rumäniens sein dürfte.
Diese Daten sind jedoch mit Vorsicht zu behandeln. Die Anzahl der im der Süd-Bukowina lebenden Personen Buchenlanddeutscher Herkunft dürfte in Wirklichkeit höher liegen und sich deutlich über den offiziellen Angaben bewegen. Schon die recht hohe Anzahl von Mischehen stellt einen starken Unsicherheitsfaktor bei Volkszählungen dar.
Kulturelles
Vor diesem Hintergrund kann man die gezielte Förderung der deutschen Sprache und das kulturelle und politische Engagement des Deutschen Forums in Rumänien und speziell des Deutschen Regionalforums Bukowina in Suceava gar nicht hoch genug schätzen.
In der ukrainischen Oblast Czernowitz (Nordbukowina) verfolgt der Österreichisch-Deutsche Kulturverein ähnliche Ziele. Zwar beherrscht von den etwa 150 Mitgliedern des Vereins nur eine Minderheit die Deutsche Sprache in Wort und Schrift doch leben allein in der Universitätsstadt Czernowitz weit über 3000 Ukrainer, die diesen Anforderungen entsprechen.
Kulturelle wie sprachliche Ausbildungen der Buchenlanddeutschen und der an der deutschen Sprache und Kultur Interessierten werden in der Nord- wie auch in der Südbukowina durch Schulen, Universitäten, Politiker der Regionen, engagierte Bukowiner sowie durch offizielle Stellen und Privatpersonen aus Deutschland und Österreich unterstützt. Das Interesse am Erlernen der deutschen Sprache und Kultur ist groß.
Bukowina Forschung, Zentren und Vereinigungen
Aufgrund der interessanten Vergangenheit der Bukowina und ihres äußerst positiven kulturellen Umfeldes – u. a. wurde in der Stadt Czernowitz 1875 die östlichste deutschsprachige Universität gegründet, heute Nationale Jurij-Fedkowytsch-Universität Czernowitz – etablierten sich in Deutschland (Augsburg), der Südbukowina (Rădăuţi) und der Nordbukowina (Černivci) Bukowina-Forschungszentren, die sich in Zusammenarbeit mit regionalen Universitäten der Erforschung des Phänomens Bukowina widmen und im wissenschaftlichen und interkulturellen Bereich Forschungs-, Bildungs- und Kontaktmöglichkeiten für Bukowiner und daran Interessierte bieten.
Bukowinafreunde informieren über die Buchenland-Deutschen der Bukowina
Die Feststellung, dass sich immer mehr Nachkommen der Ende 1940 ins Deutsche Reich umgesiedelten fast 100.000 Deutschen dafür zu interessieren beginnen, woher ihre Vorfahren stammen und unter welchen Bedingungen sie gelebt haben, hat uns dazu bewogen, mit der Bukowina Plattform die Tür zur Vergangenheit einen Spalt breit zu öffnen, um der Nachkommenschaft der Buchenlanddeutschen einen fundierteren Bezug zur Heimat ihrer Vorfahren zu geben.
Darüber hinaus wollen wir nicht nur dem vorab genannten Personenkreis sondern auch weiteren Interessierten, einschließlich der breiteren Öffentlichkeit, die wirtschaftlichen und kulturellen Leistungen des Deutschtums, die unter voller Einbeziehung aller Nationalitäten der Bukowina hart erarbeitet wurden, näher bringen.
Neben der geschichtlichen Vergangenheit sowie Interessantem und Aktuellem aus der Bukowina und Deutschland, soll auszugsweise auf besondere Leistungen einzelner Ethnien der Bukowina in den Bereichen Literatur, Musik, Kunst und Brauchtum eingegangen werden.
Beispiele für ein gutes Zusammenleben unterschiedlicher Ethnien und Religionen möchten wir besonders hervorheben. Die Aufgeschlossenheit und Gastlichkeit der Bukowiner und eine Reihe weiterer spezifischer Eigenschaften gehören mit zum Erbe vergangener Zeiten. Wir möchten bewußt das Verbindende und Positive betonen. Die politische Ebene und das Eingehen auf diesbezügliche Problemstellungen bleiben im Grundsatz ausgeklammert, da dies nicht zu den primären Zielsetzungen unseres Portals gehört. Jegliche Aktivität der Bukowinafreunde innerhalb des Portals erfolgt in unabhängiger und informeller Form. Der Einsatz ist ehrenamtlich und basiert auf Liebe und Respekt zur Heimat unserer Vorfahren.
Wege zur geistigen Verbundenheit mit der Bukowina – Kulturelles
Die Schilderung des Aufbaus der Bukowiner Strukturen, der seinerzeitigen fruchtbaren Nationalitäten-Symbiose, der Vielfalt der Religionen und der im Jahre 1940 folgenden Umsiedlung und Integration bietet in ihrer übersichtlichen, bisher nicht vorhandenen kompakten Präsentation eine wertvolle Information. Sie dürfte auch viele im Bildungsbereich Tätige ansprechen, denn sie zeigt ein Musterbeispiel für die Möglichkeit einer gedeihlichen Koexistenz gemäß dem „Bukowiner Modell“, in dem jede nationale Gruppe ihre Besonderheiten bewahren und ihre geistige und materielle Kultur entwickeln konnte.
Bukowiner und deren Nachkommen sind schwerpunktmäßig nicht nur in Deutschland und Österreich, sondern über die ganze Welt verteilt. Auch in der Bukowina selbst leben noch Buchenlanddeutsche und deren Nachkommen, die ihre Kultur weiter hegen und pflegen und deren politische, wirtschaftliche und kulturelle Verbindung zu Deutschland sich für beide Seiten positiv auswirkt. Es wäre begrüßenswert, wenn diese Plattform Interessierte zusammenführen würde. Die Öffnung des Ostens ermöglicht ein gegenseitiges Kennenlernen und kann zu vertiefenden Kenntnissen, Kontakten, Toleranz und positivem Miteinander dar Völker beitragen. Auch über die eigene Familienforschung, der wir ein größeres Kapitel gewidmet haben, können sich Buchenlanddeutsche der Thematik „Bukowina“ annähern.
Im Interesse der Bewahrung und Weitervermittlung der Geisteshaltung und Lebensart der Bukowiner empfehlen wir, sich bei noch lebenden Zeitzeugen über interessante Lebensgeschichten zu informieren, diese in medialer Form festzuhalten und historische Dokumente sowie beschriftete Photos gut aufzubewahren.
Schlußworte der Bukowinafreunde
Besonders dankbar sind wir dem ehemaligen Vorsitzenden des niedersächsischen Landesverbandes der „Landsmannschaft der Buchenlanddeutschen (Bukowina) e. V.“, Herrn Alfred Wenzel (+ 2018), an dessen organisierten Fahrten in die Bukowina wir mehrmals teilnehmen durften, Herrn Oberstudienrat Peter Tanzel (+ 2006), der uns anlässlich privater Erkundungsfahrten im Buchenland ein unentbehrlicher und mit profundem Wissen versehener Reisebegleiter war und uns die Augen für viele verborgene Schönheiten des Landes geöffnet hat und all denjenigen in Deutschland, Österreich und der Bukowina, die zum Entstehen unseres Werkes beigetragen haben.
Haben Ihnen die Ausführungen gefallen?
Dann empfehlen Sie die Bukowinafreunde weiter.
Emilian Fedorowytsch und Alfred Wanza
Deutschland – September 2009 –
Aktueller Stand: 05. Februar 2025