„Genug der Zurückhaltung“ –
Integration Buchenlanddeutscher in der neuen Heimat
Haben wir unseren Kindern und Enkeln genug weitervermittelt? oder „Wie halte ich es mit der Bukowina?“
Anlässlich eines Buchenländer-Bundestrefffens bereicherte eine sozial engagierte junge Teilnehmerin mit Bukowiner Vorfahren die Veranstaltung mit einem spontanen Wortbeitrag, der besonders erwähnenswert scheint und nachdenklich stimmt.
Sie schilderte anschaulich, wie sich ihre Eltern und Großeltern in den Nachkriegsjahren um eine rasche Integration in den südwestdeutschen Kulturkreis bemühten, indem sie streng darauf bedacht waren, ihre zum Teil abweichenden Lebensgewohnheiten, die sie aus der Bukowina mitgebracht hatten, vor den Einheimischen tunlichst zu verbergen, um sich von jenen nicht zu sehr abzuheben. Dies betraf sogar das gewohnte Mamaliga-Essen.
Dass sie mit diesem Handeln zwar integrationsmäßig sozusagen „den Vogel abgeschossen haben“, ist die eine Seite der Medaille, dass sie dadurch aber auch dazu beigetragen haben, ihren Kindern einen Teil ihrer Identität vorzuenthalten und – unbewusst die Rolle, die die Bukowina in ihrem eigenen Leben gespielt hat, zu verdrängen, mögen sie damals, nach der Stunde Null, nicht voll bedacht haben. Wer könnte es ihnen verdenken? Und so kann man es einer Reihe von Bukowiner Nachfahren nicht übel nehmen, wenn sie für das Land ihrer Vorfahren keine tieferen Empfindungen hegen – eben weil sie diese manchmal nicht weitervermittelt bekamen.
Derartige Fälle sind wahrscheinlich dort vorgekommen, wo Bukowiner Familien nicht im Verbund mit mehreren Landsleuten gelebt haben. Bukowiner Gemeinden im Gebiet Salzgitter-Lebenstedt, in dem rund 5.000 Buchenländer angesiedelt wurden, oder im Augsburger Raum, boten ihre Mitgliedern mannigfaltigere Möglichkeiten bezüglich der Pflege und Bewahrung der Bukowiner Sitten, Gebräuche und der Lebensart. Doch auch dort nagt inzwischen der Zahn der Zeit und das Interesse an der Heimat der Vorfahren läuft bei Kindern und Enkeln auf Sparflamme. Denn wie könnte man es sonst erklären, dass diese wenig Bereitschaft zeigen, ihre Eltern bzw. Großeltern einmal jährlich zum Bundestreffen zu begleiten.
Handelt es sich wirklich um Desinteresse? Ist vielleicht der sogenannte heutige Zeitgeist schuld daran oder haben manche Eltern und Großeltern es versäumt, diese zarte Pflanze Heimat zu hegen, zu pflegen und den Bukowiner Geist an die Nachkommenschaft weiterzugeben? Dies wäre in der Tat ein Fauxpas.
Ich traue mir nicht zu, eine definitive Antwort darauf zu geben, da noch andere Gründe für dieses Abstinenzverhalten ursächlich sein mögen. Da gehe jeder Einzelne in sich und stelle sich die Frage. Dann wird ihm sicherlich eine Antwort zuteil.
Tatsache ist, dass ich an vielen Bundestreffen teilgenommen und stets mitbekommen habe, wie sehr die Buchenländer ihre Heimat, die sie Ende 1940 verließen, liebten, an ihr hingen und wie ein Leuchten über ihre Antlitze huschte, wenn von der Bukowina gesprochen wurde. Dieses mit Gefühlsduselei zu bezeichnen würde der Sache nicht gerecht werden und wäre auch zu einfach. Es muss also „etwas dran gewesen sein“ an diesem Ländchen und an der Gemeinschaft der Bukowiner. Gab es ein Geheimnis? Bestimmt nicht nur eines!
In der am Anfang dieses Artikels festgehaltenen Schilderung manifestiert sich ein tiefer Wunsch, dem ich mich ohne zu zögern anschließe.
Wer noch Zeitzeuge aus der Bukowina ist und wer das Glück hatte, von seinen Eltern oder Großeltern vieles über die Bukowina erfahren zu haben, möge dieses unschätzbare und besondere Wissen an seine Nachkommen weiter geben. Sie werden es Ihnen danken.
Letztendlich sei noch hinzugefügt, dass die Bukowina auch auf den Gebieten Literatur, Musik, Kunst, Tourismus und vielem anderen noch weit mehr bietet. Dies ist ein Grund dafür, dass sich mehr und mehr Nichtbukowiner für dieses Land interessieren.
Emilian Fedorowytsch – August 2010