Kulturelles Umfeld in der Bukowina

Positive Symbiose mehrerer Nationalitäten verschiedener Religionsbekenntnisse im kulturellen Umfeld der Bukowina

Bukowina als Vorläufermodell eines vereinten Europa

Konsequente Organisation, Vorbildfunktion, effizientes Schulsystem, Toleranz und Herzensbildung schmiedeten einen speziellen Menschenschlag – den Bukowiner

  1. Ausgangssituation 1774 und Status der Bukowina 1918
  2. Aufbau der Infrastruktur, Treueid auf den Staat, Befreiung der Kirche von materiellen Belastungen und ihre Fokussierung auf das Wesentliche.
  3. Einführung eines integrierten, anspruchsvollen, allen Ethnien dienenden Schulsystems auf Basis der deutschen Sprache und der jeweiligen Muttersprache
  4. Hebung des wirtschaftlichen Niveaus, Übernahme wirtschaftlicher und technischer Spezialkenntnisse deutscher Einwanderer
  5. Die Bedeutung der deutschsprachigen Universität Czernowitz für die politische Bewusstseinsbildung und das Bildungsniveau der Nationalitäten
  6. Die Selbstregulierung in den multiethnischen Beziehungen einer multikulturellen und multikonfessionellen Gesellschaft
  7. Die politische harmonische Einbindung aller Nationalitäten des Landes durch den Bukowiner „Nationalitätenausgleich“
  8. Bukowiner Modell in der Langzeitperspektive – Schlüsselfunktionen für das gedeihliche Zusammenleben mehrerer Ethnien
  9. Verwendete Literatur und Quellen

Ausgangssituation 1774 und Status der Bukowina 1918

Bevor über das kulturelle Umfeld in der Bukowina, in dem das zarte Pflänzchen Toleranz anfing zu wachsen, berichtet wird, erscheint es angebracht, die Aufmerksamkeit zunächst auf die Ausgangssituation zu richten, danach auf die „ordnenden Faktoren“ (Infrastrukturaufbau, Treueid auf den Staat, Reform des kirchlichen Wirtschafts- und Organisationssystems) einzugehen und anschließend die „formenden Faktoren“ (Schulpolitik, Rolle der Sprache, Rolle der Vorbildfunktion, weitere toleranzfördernde Maßnahmen, Nationalitätenausgleich etc.) zu beleuchten.

Die an den Nordosten Rumäniens anschließende, am östlichen Karpatenbogen liegende, heute zwischen Rumänien und der Ukraine geteilte geschichtsträchtige Region Bukowina stieg im Verlauf der Jahre 1774 – 1918, zu Zeiten ihrer Zugehörigkeit zur Habsburger Monarchie, zu deren multinationalstem Kronland auf.

Bei der Annexion durch Österreich im Jahre 1774 lag die Bevölkerungszahl im damaligen 10.442 qkm umfassenden Gebiet bei etwa 75.000 Personen. Die beiden größten autochthonen Ethnien der Bukowina waren die schwerpunktmäßig in den nördlichen Landesteilen ansässigen Ruthenen (Ukrainer) und die Rumänen, das staatstragende Volk des im Jahre 1359 gegründeten Fürstentums Moldawien, zu dessen Herrschaftsgebiet die Bukowina bis zum Beginn der österreichischen Herrschaft zählte. Beide Nationalitäten waren durch das Band des orthodoxen Glaubens verbunden.

Die überwiegend bäuerlich strukturierte Bevölkerung befand sich in totaler Abhängigkeit von den zumeist rumänischen durchweg außerhalb der Bukowina ansässigen Großgrundbesitzern. Erst 1782 wurde die Leibeigenschaft per Dekret aufgehoben.

Von einem bestehenden organisierten Schulsystem konnte zu jenen Zeiten keine Rede sein. Weder die früher verantwortliche Führung des Fürstentums Moldawien noch die über große Teile des Bodens verfügenden mehr als zwanzig Basilianer – Klöster der Bukowina, die ein Eigenleben führten und deren Vorsteher eher auf die Mehrung ihrer Einnahmen bedacht waren, waren daran interessiert, sich der Bildung des Volkes anzunehmen. Sie verfügten auch nicht über die dafür erforderlichen fachlichen Voraussetzungen. (1) sh. S. 18-21

Im Lande dominierte eine auf sehr niedriger Stufe befindliche Horn- und Schafviehzucht, ergänzt um eine  bescheidene Pferdehaltung. Eine intensive und auf  hohe Erträge ausgerichtete Landwirtschaft im westeuropäischen Sinne wurde nicht praktiziert, und der exzessive planlose Holzeinschlag in den von riesigen Wäldern bedeckten Landesteilen war ruinös. (1) sh. S. 25 – 27 und S. 75 – 79

Der politische Handlungsspielraum und die Ausübung des Rechtssystems waren unter der seit 1514 bestehenden Oberhoheit der Türkei durch ein massives Abgaben- und Schmiergeldsystem geprägt worden.

Im ersten Teil seines Reformprogramms schreibt der österreichische Hofkriegsrat:“Die Unordnung, Unwissenheit und Mißbräuche, welche von jeher in dem politischen System des orientalischen Reiches durch die Absicht auf Gelderpressung genährt worden sind, haben sich in den zurückgelegten Jahren auf alle der türkischen Botmäßigkeit unterworfenen Provinzen, auf alle dortigen Gegenstände und Vorfallenheiten, mithin auch auf die Moldau und die ehehin zur Moldau gehörige Bukowina erstreckt”. (1) S. 42

Als Österreich 1918, nach verlorenem Krieg und Einmarsch rumänischen Militärs in die nahezu von allen österreichischen Truppen entblößte Bukowina, das Land – mit nachträglicher Bestätigung der entscheidenden Großmächte- dem Königreich Rumänien überlassen musste, war die Bevölkerung der Bukowina aufgrund der diverse Anreize bietenden, die Besiedlung fördernden Politik Österreichs und der Geburtenraten, auf über 800.000 Bewohner angewachsen. Die Führung der Bukowina hatte nicht nur für den Aufbau von ca. 500 Volksschulen sowie weiterer Fachschulen und Gymnasien gesorgt. Ihr war es auch zu verdanken, dass sich das Land mit seiner Hauptstadt Czernowitz, die inzwischen zum politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Mittelpunkt des Landes  und einer großen Garnisonsstadt aufgestiegen war, mit dem Ruf einer bedeutenden, weit über die Grenzen der Habsburger Monarchie bekannten Universität mit deutscher Vortragssprache rühmen konnte. Ein großer Verdienst war der Griechisch-Orthodoxen Fakultät zuzuschreiben, die vielen orthodoxen Ländern und deren Kirchen und Theologen als Beispiel zum Aufbau eigener Strukturen diente. Czernowitz war außerdem Sitz des Metropoliten, dem alle Orthodoxen der im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder unterstellt waren, sowie Verwaltungssitz des “Griechisch-Orthodoxen Religionsfonds”, des größten Grundbesitzers und Wirtschaftsbetriebes der Bukowina.

Rund ein Dutzend Nationalitäten verschiedener Religionszugehörigkeit teilten sich das Leben im Land ohne dass gravierende Vorkommnisse das Zusammenleben erschütterten. Die nach der jeweiligen Umgangssprache vollzogene Volkszählung von 1910 notiert: 38,4% Ruthenen (Ukrainer), 34,4% Rumänen, 12,0% Juden (ermittelt unter Hinzuziehung der  Religionszugehörigkeit), 9,2% Deutsche sowie 6,0% Bewohner anderer Zugehörigkeit, in erster Linie Polen sowie weiterhin Armenier, Ungarn, Slowaken, Tschechen, Lippowaner (großrussische Sekte die im 17. Jahrhundert nach der Kirchenspaltung Russland verließ), Zigeuner u. a. „In Czernowitz gaben damals 41.360 (47,5 %) der Einwohner Deutsch als Umgangssprache an.“ (7) S. 159  Die deutsche Sprache einte als Amts- und zugleich auch als „Umgangssprache zwischen den Nationalitäten“ die Bevölkerung der Bukowina.

Nicht ohne Grund gerät die Bukowina immer häufiger in den Fokus nationaler wie auch  internationaler Wissenschaftler und Politiker, die sich vor allem mit der Frage beschäftigen, welche Faktoren diese fruchtbare Symbiose mehrerer Nationalitäten verschiedener Religionsbekenntnisse beeinflusst und gefördert haben. Die sich dabei ergebenden Erkenntnisse und Einsichten dürften auch Bildungs-, Integrations- und Europapolitiker interessieren.

„Toleranz ist wie ein kunstvolles Mosaik“


Aufbau der Infrastruktur, Treueid auf den Staat, Befreiung der Kirche von materiellen Belastungen und ihre Fokussierung auf das Wesentliche

Bevor Toleranzanflüge zum Tragen kommen konnten, galt es einen Volkskörper zu schmieden, der technisch möglichst reibungslos funktionierte und eine gemeinsame Identität aufwies.

Die ersten Amtshandlungen der Militärregierung unter den Generälen Gabriel Freiherr von Splény (1774 – 1778) und Karl Freiherr von Enzenberg (1778 – 1786) bestanden im Aufbau der Infrastruktur (Verkehr, Nachrichtenübermittlung, Verwaltung, Sicherheitswesen, Gerichtswesen etc.), einer Grundvoraussetzung zur Entwicklung eines funktionierenden fortschrittlichen Gemeinwesens.

Noch zu seiner Amtszeit setzte General von Splény eine Erbhuldigung durch, bei der Abgesandte aller Stände und Gemeinden, sowie der Bischof Dositheus Cherescul, in einem Treueid auf den Staat ihre Bindung zu diesem öffentlich zu bekunden hatten. (1) sh. S. 15 Eine Reihe von Landesbewohnern, denen dies nicht behagte, verließen daraufhin das Land.

General Freiherr von Enzenberg, der für seine Erfahrungen in politischer Organisation und Mitmenschenkenntnis bekannt war, engagierte sich besonders bei seinen häufigen Reisen durchs Land, um die Lage und Bedürfnisse des Volkes vor Ort zu erkunden.“Er schuf die Grundlagen, auf welchen sich Zivilisation und Kultur des Buchenlandes aufbauten.“ (1) sh. S. 16

Ein wesentlicher Punkt war die vorsichtige Einleitung von Schritten zur Reform des kirchlichen Wirtschafts- und Organisationssystems, „ eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Voraussetzung für die kulturelle und materielle Entwicklung des Buchenlandes.“ (1) S. 64

Nach der Loslösung der Bukowiner Kirche aus der Abhängigkeit und dem Verbund mit der moldauischen Metropolie zu Jassy wurden die vielen Klöster – bis auf drei – säkularisiert und die Klostervermögen nebst Grundbesitz in eine neue religiös – wirtschaftliche Einheit, den “Griechisch-Orientalischen Religionsfonds” eingegliedert, aus dem der Unterhalt des gesamten griechisch-orthodoxen Klerus einschließlich der Klöster und – im Bedarfsfall – Schulen und sonstigen Einrichtungen bestritten werden sollte (Trennung des wirtschaftlichem Gewerbes vom eigentlichen kirchlichen und seelsorgerischen Aufgabenbereich).

Die aufgrund der beklemmenden Gesamtumstände unumgängliche Durchführung der Säkularisation erfolgte trotz zähestem Widerstand der Kirche, jedoch nicht ohne Einbindung des neu ernannten Bischofs.  (1) sh. S. 18 – 21  Den Drohungen der Klostervorsteher, das Land mit ihren Mönchen unter Mitnahme des Klostervermögens zu verlassen, begegnete die Landesregierung mit einer Untersagung der Ausfuhr von Klostervermögen. Dies führte bei den Betroffenen zur Revidierung ihrer Absichten. (1) sh. S. 60 – 63

In seinem Vorbericht zum Reformprogramm weist der Hofkriegsrat daraufhin, “dass die Klugheit fordert, alles hierbei zu vermeiden, was unter dem Volk den Argwohn bewirken könnte, als ob ein Antrag wäre, die Geistlichkeit, der das Volk ergeben ist, und mit derselben die Religion anzugreifen“.  (1) S. 42     Gegen “Verschleppungen“ bzw. die Fortdauer eines – wie er sich ausdrückte – “Zaudersystems“ macht er aber später Druck. (1) sh. S. 47

Im Anschluss an die Stellungnahme der „Vereinigten Böhmisch-Österreichischen Hofkanzlei“ vom Februar 1781 betont der Oberstkanzler Graf Blümegen in einem persönlichen Bericht an den Kaiser:  ,,Es sei Sr. Majestät einzuraten, daß die Bukowina keineswegs mit anderen Provinzen vereinigt, sondern als ganz abgesondertes Land und so viel wie möglich nach den jetzigen Gebräuchen und Sitten behandelt, die dortigen Landsleute zu öffentlichen Dienstleistungen angewendet und getrachtet werden sollte, damit die Zuneigung und das Vertrauen der Moldauischen Nation auf das möglichste gewonnen werde.” (1) S. 40

Man sieht, dass Österreich zwar seine Entscheidungen und die Art des Vorgehens unter möglichster Berücksichtigung der Eigenarten der Landesbewohner  und ihrer Befindlichkeiten wohl abwog, es aber dennoch nicht vor der konsequenten Durchführung als notwendig erachteter Maßnahmen zurückschreckte. Man ließ sich offensichtlich auch nicht auf endlose Diskussionen oder erpressungsähnliche Wünsche griechisch-orthodoxer Klostervorsteher ein.

 
Einführung eines integrierten, anspruchsvollen und allen Ethnien dienenden Schulsystems auf Basis der deutschen Sprache und der jeweiligen Muttersprache

Zur Reformpolitik in Sachen kirchlicher Strukturen und anlässlich der neu eingeführten, vor allem General von Enzenberg am Herzen liegenden Schulpolitik führt der Hofkriegsrat aufgrund der Enzenbergschen Berichte und Vorschläge mehr aus:

“Ist nun auf diese Weise die Geistlichkeit in die Lage gebracht, wodurch sie nur ihrem Beruf und ihrer Widmung genüge leisten und wird die Einrichtung der Schulen auf dem Fuß der Ausbildung des Verstandes und der Herzen, der Ausrottung der Vorurtheile und der Bereitwilligkeit zum Gehorsam gesetzt, so ist auch das Mittel gegeben, durch welches alle weltlichen Verbesserungs – Anordnungen eine Erleichterung und eigentlich ihre Unterstützung erhalten.” (1) S. 43

Da die ersten Lehrer, die auf Anregung der Zentralregierung  berufen wurden, aus Siebenbürgen kamen  und katholischen Bekenntnisses waren gab die Hofstelle General von Enzenberg folgenden Hinweis: “ Um die religiösen Gefühle der Geistlichkeit und der griechisch – orthodoxen Glaubensgenossen aufs äußerste zu schonen“ und  den Besorgnissen des Bischofs Rechnung zu tragen, müsse die Administration den Unterschied zwischen dem Schulunterricht und dem Unterricht in der Glaubenslehre sich gegenwärtig halten. Daß die Katholiken, Unirten, Disunirten und alle übrigen der tolerierten Religionen miteinander den Schulunterricht nehmen können, hingegen das Religions-Exercitium abtheilig (d. h. getrennt, unter Einbeziehung kirchlicher Kreise) nach der Verschiedenheit der Religionsverwandten vor sich zu gehen habe”. (1) S. 65

In den “Instructionen“ an die Schulaufseher schreibt General von Enzenberg:

“Um beim Volke eine gute und vorteilhafte Denkungsart in Bezug auf die Normalschulen – Einführung zu erwirken, wird vorzüglich nothwendig sein, daß die Normalschullehrer einen klugen, bescheidenen und überhaupt gesitteten Lebenswandel führen, sich mit dem Volk gut und harmonisch betragen, mit den Eltern der Kinder öfter einen vertraulichen Umgang pflegen, hierbei aber besonders alle Gespräche von der Religion, dem Unterschied derselben oder gar einem etwaigen Vorzug gänzlich vermeiden, sondern blos ihnen begreiflich machen, daß diese Normalschulen – Einführung hauptsächlich dahin abgesehen sei, damit ihre Jugend in der Wissenschaft unterrichtet, zu guten Sitten ausgebildet und sonach zu einst nützlichen Staatsgliedern umgeschaffen werde”
und weiter: “Man muss trachten, dass sich die beiderseitige Jugend so gemeinschaftlich und verträglich lebe, damit auch nicht der mindeste Religionsunterschied bemerkt werden möge.“ (1) S. 67

Anmerkung: Im Verlauf des Zeitraums 1815 bis 1848, in dem das Bukowiner Schulwesen der Oberaufsicht des römisch-katholischen, polnisch dominierten Konsistoriums in Lemberg (Galizien) unterstellt war, wurde Letzteres bedauerlicherweise nicht eingehalten.

“Im Gegensatz zu Galizien, wo seit 1867 in polnischer Sprache amtiert wurde, war bis 1918 in der Bukowina die Amtssprache Deutsch. Folglich wurden die Schulen auch in jenen Orten, in denen die Einwohner nur einer Nationalität angehörten, was häufig bei Rumänen und Ruthenen (Ukrainern) der Fall war, zweisprachig geführt, d.h. in der jeweiligen Muttersprache und in Deutsch. In national gemischten Gemeinden, so z. B. in rumänisch – ukrainischen, gab es die sogenannten Trivialschulen, wo ebenfalls in Deutsch und der jeweiligen Muttersprache unterrichtet wurde. Deutsch war also die Umgangssprache zwischen den Nationalitäten und erfüllte in der Bukowina dieselbe Funktion wie etwa das Englische in Indien.“ (7) S. 102

Welche Rolle die Sprache spielt beschreibt Klaus Reichert sehr schön in einem Essay vom 21. November 2006:

“Je besser ich den Umgang mit dem Instrumentarium meiner Sprache erlerne, es beherrsche und dann benutzen kann, desto besser verstehe ich andere und mich selbst, desto besser finde ich mich in der Welt zurecht” und weiter „Wer aber eine andere Sprache lernt, dem wächst eine andere Welt zu, er wird reicher  und nicht nur das: Er sieht auch die eigene Sprache mit anderen Augen, weil das, was er für selbstverständlich hielt, sich auf einmal nur als eine Möglichkeit unter vielen, die Welt zu verstehen, herausstellt.” (5)

Ein strenger Verhaltenskodex auf dem Schulgelände, mit dem übrigens gerade in neuester Zeit Schulen mit multiethnischer Zusammensetzung der Lernenden im Ausland, wie auch in Deutschland, gute Erfahrungen machen, und regelmäßige Visitationen durch Schulinspektoren, die der Überprüfung der Effektivität der Lehrer dienten, waren die Regel und leisteten einen unverzichtbaren Beitrag zur Erreichung der Lehrziele.

Die Schule der Bukowina wollte ihre Schüler unter dem Dach Österreichs einen und ihnen eine gemeinsame Identität vermitteln. Dieses Ziel wurde durch aufgeschlossene, fachlich und persönlich gut ausgebildete und entsprechend motivierte Lehrer verfolgt, die zu Schülern und Eltern gute Kontakte unterhielten und Raum für eigene Initiativen – auch über die offizielle Unterrichtszeit hinaus – besaßen.

„Die heranwachsende Generation nach 1848 war durch den Einfluss wegweisender Kulturträger der großen Ethnien des Landes, die in Czernowitz ein spezielles Kulturmilieu erzeugten und die Jugend, die sich auch aus dem Umland rekrutierte, mit westlichen und östlichen ästhetischen Vorbildern sowie Volkstraditionen bekannt machten, gebildeter, fortschrittsbetonter, demokratischer und kulturell aufgeschlossener als die vorhergehende Generation.“ (2) sh. S. 29

Man beachte im Zusammenhang mit dem vorab Gesagten beispielsweise auch was Roland Wöller, Kultusminister Sachsens, in einem Essay  vom 7. Dezember 2010 schreibt:

“Gute Schule ist guter Unterricht und der entscheidende Faktor sind damit die Lehrer. Sie müssen fachlich fit sein, pädagogisch bestens geschult und in der Lage, Bindungen zu den Schülern aufzubauen. Das alles haben die derzeitigen Programme nicht im Blick. Wir müssen aber den Fokus auf die Lehrerausbildung legen, die Länder müssen gemeinsam dieses Feld bearbeiten.“ und weiter: „Man solle Kompetenzen der Schüler aber nicht gleichsetzen mit Bildung. Bildung ist das, was übrig bleibt, wenn man alles andere vergessen hat. Sie ist mehr als abfragbares Wissen. Bildung ist Orientierungswissen, schließt auch ästhetische, musische und künstlerische Bildung mit ein. Bildung ist ein Weg, Freiheit und Urteilsfähigkeit einer Gesellschaft zu garantieren.(9) S. 5

Die Gründung von Schulen erhielt in den Jahrzehnten nach 1848 aufgrund neuer Gesetzgebung breiten Auftrieb. Anfang des 20. Jh. kam die Lehrerschaft der Normalschulen in der Bukowina – den Bevölkerungsanteilen entsprechend – aus den Reihen aller Nationalitäten des Landes. Die Lehrpläne für Schüler der Normalschulen waren in Städten und Dörfern der Bukowina identisch. (8) sh. Band  I  S. 46 ff


Hebung des wirtschaftlichen Niveaus, Übernahme wirtschaftlicher und technischer Spezialkenntnisse deutscher Einwanderer

Die von der Landesregierung bei Schaffung eines politisch positiven Umfeldes logistisch und fiskalisch geförderte Ansiedlung deutscher Bauern, landwirtschaftlicher Fachkräfte, von Bergleuten, Glas- und Waldarbeitern sowie von Waldbauern erfolgte zwischen 1782 und 1850 in mehreren Schüben. Einen Großteil der Kolonisten stellten Südwestdeutsche, Deutsche aus der Zips (Oberungarn) und Böhmerwäldler. Die deutschen Ansiedler beeinflussten durch eine höhere landwirtschaftliche Kultur und die Initiative beim Bau größerer industrieller Betriebe den Aufstieg des wirtschaftlichen Niveaus des Landes und wirkten so auf die autochthone Bevölkerung des Landes beispielgebend ein. Beispielgebend in dem Sinne, dass die autochthone Bevölkerung versuchte diejenigen Dinge, die allgemein ihre Akzeptanz fanden und ihre Lebensumstände zu ihrem Vorteil verändern konnten, von sich aus zu übernehmen oder sich daran zu beteiligen. 

In die gleiche Richtung wies das in Radautz aufgebaute militärische Gestüt. In einem Auszug aus dem Vortrag des Hofkriegsrates, der die Viehhaltung betrifft, heißt es:

“Damit die Viehzucht, der Haupterwerbszweig der Bukowina, in die möglichste Verbesserung gebracht werde, muss die Administration, wie es ihr ebenfalls schon an die Hand gegeben worden ist, durch Beispiele auf den Cameral- und geistlichen Gütern, durch Aufmunterungs – Mittel durch zweckmäßige, auch nur von Scheine eines Zwanges entfernte Anleitung die Landeseinwohner zum Baue von Ställen und Schopfen, zur gehörigen Pflege der Weiden und Hutungen, zur guten Wartung des Viehes bringen.” (1) S. 85

Viele der nach 1850 ins Land strömenden Zuwanderer verschiedener Ethnien kamen “wegen der wirtschaftlichen Prosperität, die die Bukowina nach ihrer Trennung von Galizien im Jahre 1849 genoss, wegen der rechtlichen Gleichstellung, die durch die neue Verfassung vom März 1849 garantiert wurde und wegen der üppigen Bildungsmöglichkeiten.” (6) sh. S. 109 u. 110

Unter den später in die Bukowina kommenden Deutschen gab es viele Beamte, Handwerker (meist hocheffiziente), Geistliche und Lehrer. Die Altösterreicher wiederum stellten die Schlüsselpositionen im Heer und der Landesverwaltung und sorgten für einen reibungslosen Ablauf des Ganzen.

 
Die Bedeutung der deutschsprachigen Universität Czernowitz für die politische Bewusstseinsbildung und das Bildungsniveau der Nationalitäten

Bei dem Entschluss zur Errichtung einer deutschsprachigen Universität in Czernowitz dürfte die österreichische Regierung u. a. auch von dem Gedanken geführt worden sein, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erwachende Nationalbewusstsein der Völker in geordneten Bahnen zu kanalisieren.

Die deutsche Kultur sollte die nicht deutschen Ethnien der Bukowina einen und – in positivem Sinne – an Österreich binden, ohne die kulturellen Eigenheiten der einzelnen Ethnien zu behindern.

„An den beiden weltlichen Fakultäten wurden die deutsche Vortragssprache und die neu geschaffenen Lehrkanzeln für die rumänische und ruthenische (ukrainische) Sprache und Literatur gesetzlich festgelegt. Für die Ukrainer, deren Schriftsprache im damaligen Russland verboten war und die in Russland von den Russen und in Galizien von den Polen unterdrückt wurden, war diese Lehrkanzel von besonderer Bedeutung. An der Theologischen Fakultät wurden für die Lehrkanzeln für praktische Theologie die rumänische und die ruthenische (ukrainische) Unterrichtssprache zugelassen.“ (7) sh. S. 28

Eine positive Beurteilung seitens der Rumänen hören wir im Jahre 1900 auf der Jubiläumsfeier anlässlich des 25-jährigen Bestehens der „Francisco-Josephina“, auf der der Präsident der Rumänischen Akademie der Wissenschaften in Bukarest, Ministerpräsident a. D. Demeter Sturdza, unter anderem folgendes sagte:

“ …Diese Einwirkung der deutschen Universitäten habe ich, wie gesagt, das Glück gehabt, an mir selbst zu erleben. Dieser Einrichtung verdanke ich, was ich geworden bin. Durch diese Einrichtung wurde ich leistungsfähig, nicht für das deutsche Volk, sondern für dasjenige, dem anzugehören der allmächtige Schöpfer des Himmels und der Erde angeordnet hat… . Die deutschen Hochschulen erziehen zu den höchsten menschlichen Zwecken, indem sie die Kräfte des  Einzelnen nicht ihrem natürlichen Wirkungskreise entziehen. Ist dies doch das Höchste, was die Erziehungskunst erlangen kann und soll.“…. und weiter: „Als Staatsmann füge ich aber hinzu, daß es für Rumänien hochwichtig ist, daß eine im deutschen Sinne gehaltene organisierte Hochschule so nahe an der Grenze Rumäniens feste Wurzeln gefasst hat……“  (7) S. 30

Aufgrund der Ausrichtung nach westlichem Muster, den auch international bekannten und qualifizierten Professoren und der deutschen Vortragssprache bildete die Universität und hier vor allem die orthodoxe Theologische Fakultät einen Anziehungspunkt für das benachbarte Ausland und genoss – weit über die Monarchie hinaus hohes Ansehen. “Durch die Gründung der Universität entstanden in allen ethnischen Gruppen hervorragende Führungskräfte, sei es im kulturellen, wie auch im politischen Bereich. Gefördert wurde dies vor allem durch die rasch entstehenden Korporationen.“ sh. (4)

 
Die Selbstregulierung in den multiethnischen Beziehungen einer multikulturellen und multikonfessionellen Gesellschaft

Ein Beispiel für die Selbstregulierung in den multiethnischen Beziehungen der Studenten ist der seinerzeit unter Offizieren und Offiziersaspiranten gültig gewesene Ehrenkodex, der “Bolgár“. Die im ersten Teil des “Bolgár“ gegliederten Regeln handeln  über das Duell und über die Beleidigung. 

Der „Bolgár“ hat in österreichischer und später auch in rumänischer Zeit auch eine völkerverbindende Funktion erfüllt. Da er in Czernowitz von den Studierenden aus den Reihen aller Nationalitäten angenommen wurde, regelte er bei der Intelligenz einen höflichen Umgang miteinander, auch in nationalen Fragen. Intoleranz gegenüber Andersnationalen galt gewöhnlich als Beleidigung und wurde vielfach nach “Bolgár“ geahndet. Allein schon die Anspielung auf “Bolgár“ fand meistens Gehör und ließ so manchen Fanatiker zur Besinnung kommen. Der “Bolgár“ war somit in der Bukowina auch  ein Mittel zum friedlichen Nebeneinander zwischen den Nationalitäten, was in einer multinationalen und multikonfessionellen Gesellschaft, wie sie vor allem in der Landeshauptstadt und an der „Francisco-Josephina“ anzutreffen war, nicht genug hervorgehoben werden kann.“ (7) S. 323

Dies soll nicht unbedingt ein Plädoyer für die Praktizierung des “Bolgár“ sein, vielmehr soll aufgezeigt werden, dass von allen anerkannte, gegen Intoleranz aufgestellte Regeln, bei deren Nichtbeachtung Sanktionen auf dem Fuß folgen, das Zusammenleben verschiedener Nationalitäten und Religionen positiv beeinflussen.

Der Zeitraum ab 1861 bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges war gekennzeichnet durch eine dynamische Aufwärtsentwicklung in allen Bereichen des politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens des Landes. Ein wichtiger Faktor im Zusammenleben der Nationalitäten waren die Gründungen mannigfacher Vereinigungen und Vereine jedweder Art und jedweder Zusammensetzung, die den Initiativen der Volksgruppen und Stände weiten Raum gaben und beispielgebend und befruchtend wirkten.

Die neu gegründeten Vereinshäuser der Nationalitäten erfreuten sich vor allem in Czernowitz reger Aktivitäten und ihre führenden Mitglieder pflegten gute Kontakte untereinander. Gleiches galt für die kulturellen Vereine (Musik, Theater, Sport, Literatur etc.), die vorbildliche, völkerverbindende Funktionen ausübten. „Zur deutschen Sprach- und Kulturgemeinschaft bekannten sich neben verschiedenen Mitgliedern anderer Ethnien auch viele Angehörige des Judentums, unbeachtet ihrer Besonderheiten und ihrer Religion. Sie wirkten auf mannigfache Weise auch in politischen und kulturellen Organisationen der Deutschen mit. Das kulturpolitische Gewicht des Deutschtums wäre ohne ihre Gefolgschaft weit geringer gewesen.“ (1) sh. S. 119

Nach Auflösung des Deutschen Bundes (Österreich/Deutschland) im Jahre 1863 orientierte sich Österreichs Staatsgedanke an der übernationalen “Großösterreichischen Idee“ eines Vielvölkerstaates. Die Deutschen der Bukowina mussten ebenso wie andere nationale Minderheiten im Rahmen ihrer nationalen Gleichberechtigung einen aufopfernden Kampf für ihre Interessen führen und zwar auf kultivierte Art, sei es im täglichen Miteinander oder im Parlament, und nicht mit politischen Methoden von Verboten und Vernichtungen. (3) sh. S. 12-17

“Die harmonische geschichtliche Entwicklung der Bukowina führte insgesamt zur Entstehung einer multikulturellen und multikonfessionellen Gesellschaftsstruktur. Sie war ein Konglomerat in dem jede nationale Gruppe ihre nationalen Besonderheiten bewahrte und ihre geistige und materielle Kultur entwickelte. ….. Dieses Konglomerat war zugleich gekennzeichnet durch eine Integrationsidee, ständigem Streben nach gegenseitigen Kontakten, jederzeitiger Bereitschaft zur Zusammenarbeit, mit einem Gesamterwachen und – nicht vom Verfasser – mit dem Entlehnen von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen, geistig oder kulturell befruchtenden Beispielen und Ideen.“ (3) S. 12

„Die deutsche nationale Kultur hat in der geschichtlichen Genesis der Bukowina eine bedeutende Rolle gespielt. Ihr gebührt ein besonderer Platz inmitten aller Akteure, die wesentlichen Einfluss auf die Formung der weltanschaulichen Positionen und die europäische Mentalität der Bukowiner genommen haben“ (3) S. 12

Die Frage sei erlaubt, ob eine multiethnische Gesellschaft ohne zentrale Verbindungssprache und Leitkultur zu besseren Ergebnissen geführt hätte.


Die politische harmonische Einbindung aller Nationalitäten des Landes durch den Bukowiner „Nationalitätenausgleich“

Ende des 19. Jh. begann unter der Bevölkerung der Bukowina das Nationalbewusstsein deutlich zu wachsen. Besonders zu beobachten war dies unter den Rumänen und Ukrainern wie auch den Juden.

In diesem Umfeld entsprach der Bukowiner Landtag in seiner Konstruktion, in einem vielsprachigen Gebiet, in dem parteipolitische und ethnische Gegensätze, vor allem unter den rumänischen und ukrainischen Abgeordneten, oftmals in Erscheinung traten, bestmöglichst den Verhältnissen. “Am 26. Mai 1910 trat im Landtag der sogenannte Nationalitätenausgleich in Kraft, der einen wesentlichen Beitrag zur Befriedung des politischen Lebens in der Bukowina darstellte und einen Weg wies zur wirklichen Lösung der Nationalitätenprobleme im übrigen Österreich, vor allem in Böhmen und Ungarn. —- Danach bestand der Bukowiner Landtag aus sechs Kurien, wovon zwei übernational waren und sich aus Abgeordneten der allgemeinen Wählerklasse zusammensetzten. In der ersten Kurie saßen die Vertreter des Großgrundbesitzes, in der zweiten die Armeno – Polen, in der dritten die Rumänen, in der vierten die Ukrainer, in der fünften die der Deutschen (einschließlich der Juden) und in der sechsten die der Handelskammer. Außerdem  waren der Metropolit von Czernowitz und der Rektor der Universität Abgeordnete mit Virilstimme, das heißt von Rechts wegen.“  (7) sh. S. 36 und 37

Anmerkung: „Die aus Galizien eingewanderten Armenier lehnten sich stark an die Polen an, während die alten armenischen Familien der Bukowina zu den Rumänen neigten und ihre Nationalität besser bewahrten als ihre galizischen Brüder.“ (10) S. 15.

„Im Landtag gehörten die Deutschen und die deutschsprachigen Juden (Zusatzanmerkung: gemäß österreichischer Gesetzgebung) der gleichen Wahlkurie an.“ (10) S. 17

Der dritten Kurie wurden die Ungarn, der vierten die Lippowaner zugeordnet.

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„Die weltanschaulich ausgerichteten Landtagsmitglieder hatten damit die Möglichkeit, über alle Kurien hinweg für ein übergeordnetes Anliegen Verbündete aus den Reihen aller Nationalitäten zu gewinnen. Es war also dafür gesorgt, dass in nationalen Belangen niemand jemandem etwas wegnehmen konnte und in übergeordneten, religiösen, kulturellen und wirtschaftlichen Fragen parteipolitische Gesichtspunkte zum Tragen kamen. Aber auch national ausgerichtete Abgeordnete konnten auf der Basis der Gegenseitigkeit bei den übrigen nationalen Gruppen Unterstützung für ihr eigenes Anliegen finden.“ (7) S. 148

„Da keine Nationalität in der Bukowina die absolute Mehrheit besaß, waren auch außerhalb des Landtages in der ganzen Bukowina Umgangsformen und Spielregeln zu beachten, die sehr viel Toleranz und Rücksichtnahme deshalb erforderlich machten, weil keine der Gruppierungen den Zusammenschluß der übrigen gegen sich herbeiführen und damit zur Minderheit gemacht werden wollte.“ (7) S. 159.

„In der Bukowina existierten auch nicht jene scharfen Widersprüche, die im Verlauf der Jahrhunderte in Ungarn und Galizien entflammten. Die Geschichte der Bukowina Ende des 18. – 19. Jh. zeichnete sich mit nicht allzu heftigen sozialen Konflikten zwischen den nationalen aristokratischen Großgrundbesitzern und der überwiegenden Mehrheit der untergebenen Bauern aus. Dadurch hat der durchaus wichtige soziale Faktor hier die nationalen Beziehungen nicht vergiftet. Die Deutschen waren ganz klar das politisch dominierende Volk, aus  ihren Kreisen kamen die Verwaltungskader, trotzdem stellten sie weder die großen Grundbesitzer noch waren sie Vertreter einer nicht existierenden Großindustrie. Aus diesem Grund hatten sie keine nationale Überlegenheit, sieht man von der Ertragsnutzung im ökonomischen Sektor ab.“ (3) S. 17

„Der abendländische Einfluss in der Haltung des Bukowiners aller Nationen wirkte auch nach 1918 bis zum Schicksalsjahr 1940 nach. Während die Zeit der Hochblüte des Nationalismus in anderen mehrsprachigen Ländern hässliche Auswüchse erbrachte, ist im Buchenland unter beinahe einem Dutzend Nationalitäten Ähnliches nicht bekannt geworden, vielleicht auch weil die akademische Führerschicht durch die „ritterliche Schule“ des „Bis hierher und nicht weiter!“ gegangen ist, was auch auf die Gefolgschaft abfärbte und sich im politischen und gesellschaftlichen Leben auswirkte“ (4) S. 26. u. 27

Diese Einstellung fehlte größtenteils denjenigen Entscheidungsträgern, die nach 1918 von außerhalb der Bukowina ins Land kamen und nach der österreichischen Periode die Geschicke des Landes bestimmten.


Bukowiner Modell in der Langzeitperspektive – Schlüsselfunktionen für das gedeihliche Zusammenleben mehrerer Ethnien

Die Pflicht zum Erlernen der auch als Umgangssprache unter den Minderheiten verwendeten Amtssprache Deutsch, sowie der jeweiligen Muttersprache, scheint ein entscheidender Schlüsselfaktor des gedeihlichen Zusammenlebens gewesen zu sein.

Doch erst die aufeinander abgestimmte, wohldosierte Bündelung mannigfacher toleranz- und integrationsfördernder Maßnahmen, wie wir sie im „Bukowiner Modell“ vorfinden, schuf auf der Basis liberaler, humanistischer Erziehung ein Gesamtgefüge verschiedener Ethnien und Religionen, in dem sich alle als eine eingeschworene Gemeinschaft verstanden, in der jeder Einzelne stolz darauf war, sich einen „Bukowiner“ nennen zu dürfen.

Unvergesslich fand auch der größte rumänische Dichter Eminescu, der das deutsche Gymnasium in Czernowitz besuchte, in seinem Gedicht „Bucovina“ das „süße Land“ wie einen Garten voller Blumen. (1) sh. S. 28

Der an der Czernowitzer Universität lehrende erste Dekan der juristischen Fakultät, Friedrich Schuler von Libloy (geb. 1827), ein Siebenbürger Sachse, der nicht nur lehrte sondern auch im deutschen Kulturleben tätig war, widmete seiner Heimat das Gedicht „Festgruß an die Bukowina“ aus dem hier abschließend eine Strophe zitiert sei:

Fern am Ende der Karpathen
Aus dem Kranz der Völkerstaaten
Ragt ein Sträußchen hoch empor,
Ist aus Ost und West gebunden
Hat von Nord und Süd gefunden
Was es schmückt zum Blumenflor“

Die heutige Praxis hat sich oftmals ohne Not von einer Reihe von seinerzeit in der Bukowina bewährten Maßnahmen entfernt oder unterliegt – vielleicht auch aus teilweise falsch verstandenem Toleranzdenken – möglicherweise Fehlinterpretationen.

Es würde der Gemeinschaft gewiss nicht zum Schaden gereichen, wenn der Inhalt dieser Ausarbeitung möglichst vielen Lesern einen Anreiz bieten würde, sich mit dem „Bukowiner Modell“ und dem kulturellen Umfeld in der Bukowina auseinanderzusetzen, einem Modell, das dem Land auch nicht von allein in den Schoß gefallen ist, sondern diszipliniert erarbeitet wurde und viele Hürden nehmen musste. Dabei sollten auch die Langzeitperspektiven für die Gesellschaft sowie die allen Bürgern zugutekommenden wie auch von allen Bürgern zu tragenden Folgen jeder Entscheidung wohl bedacht werden.


Verfasser: Emilian Fedorowytsch

Deutschland – September 2009 –
Aktueller Stand: 20. Januar 2023


Rumänen in Bukowiner Tracht in Câmpulung 1. Dekade 21. Jh.
Rumänen in Bukowiner Tracht in Câmpulung 1. Dekade 21. Jh.
– Foto: Emilian Fedorowytsch

Spezieller Link zum Thema Toleranz:

“Toleranz braucht moralische Bildung”
Dr. Brigitta-Sophie von Wolff-Metternich – in bildung!
Das Magazin für Lernen, Wissen und Kultur, Heft 1, Weinheim 2002, Seite 86-88



Verwendete Literatur und Quellen

  • (1) Kapri, Emanuel Michael Freiherr von: „BUCHENLAND: Ein österreichisches Kronland verschiedener Völkergruppen“ – Landsmannschaft der Buchenlanddeutschen (Bukowina) e. V. , (Hg.) Stuttgart – München 1974
  • (2) Masan, Oleksandr: „Czernowitz in Vergangenheit und Gegenwart“ in „Czernowitz“ Die Geschichte einer ungewöhnlichen Stadt, Harald Heppner (Hg.), Köln, Weimar, Wien 2000
  • (3) Osatschuk, Serhij: „НIMЦI БУКОВИНИ“– Die Deutschen der Bukowina – Geschichte der Vereinsgründungen – 2. Hälfte des 19. Jh. – Anfang des 20. Jh.-Czernowitz 2002, Bukowina-Forschungszentrum an der Czernowitzer Nationalen Jurij-Fedkowytsch-Universität
  • (4) Prelitsch, Hans: „Student in Czernowitz – Die Korporationen an der Czernowitzer Universität, München 1961, Landsmannschaft der Buchenlanddeutschen (Bukowina) e. V. (Hg.)
  • (5) Reichert , Klaus: Essay „Schatz der Deutschen“ Forumsbeitrag in der Zeitschrift „Die Welt“ vom 21. November 2006
  • (6) Sha`ary, David: „Die jüdische Gemeinde in Czernowitz“ in „Czernowitz“ Die Geschichte einer ungewöhnlichen Stadt, Harald Heppner (Hg.), Köln, Weimar, Wien 2000
  • (7) Wagner, Rudolf: „Vom Moldauwappen zum Doppeladler“ – Ausgewählte Beiträge zur Geschichte der Bukowina – Festgabe zu seinem 80. Geburtstag – Augsburg 1991 – Hg. i. A. der Landsmannschaft der Buchenlanddeutschen (Bukowina) e. V. von Paula Tiefenthaler und Adolf Armbruster
  • (8) Wagner, Rudolf: „Das multinationale österreichische Schulwesen in der Bukowina“ Band I – München 1985/1986 – Schriftenreihe der Landsmannschaft der Buchenlanddeutschen (Bukowina) e. V. (Hg.)
  • (9) Wöller, Roland: Essay „Pisa hat uns die Gelassenheit genommen“ – Forumsbeitrag in der Zeitschrift „Die Welt“ vom 7. Dezember 2010
  • (10) Weczerka, Hugo: „Buchenland“ 150 Jahre Deutschtum in der Bukowina, München 1961 – Franz Lang (Hg.)
  • (11) Fedorowytsch, Emilian: Kapitel „Die Bukowina“ (9. Jh. – Ende 1940) auf www.bukowinafreunde.de – Erstveröffentlichung unter E. G. F., Deutschland – September 2009


Bilder und Fotos

Karl Freiherr von Enzenberg, Generalmajor,
Militärgouverneur und Administrator der Bukowina,
schuf 1778-1786 die organisatorischenGrundlagen 
zum Aufbau und der Entwicklung der Bukowina
“Geschichte von Czernowitz”, Raimund Friedrich Kaindl, Czernowitz 1908

Osyp Jurij Fedkowytsch, 1834 – 1888,
ukrainischer Dichter aus der Bukowina,
Bedeutender Klassiker der ukrainischen Literatur
“BUKOVYNA”, Denis Kwitkowskyj, Theophil Bryndzan, Arkadij Zukowski; Paris, Philadelphia, Detroit, 1956

Mihai Eminescu, 1850 – 1889,
Rumänischer Nationaldichter, bedeutendster Lyriker
rumänischer Sprache, Schulbildung in Czernowitz (Bukowina)
Foto aufgenommen von Emilian Fedorowytsch

Ukrainische Familie aus dem Gebiet Czernowitz (Bukowina),
Foto Ende der 2. Dekade des 20. Jh.
Foto aus Familienbesitz

Deutsche Familie aus dem Gebiet Czernowitz (Bukowina),
Mutter mit 5 Kindern,
Foto Ende der 2. Dekade des 20. Jh.
Foto aus Familienbesitz

Rose Ausländer,1901 -1988, geb. in Czernowitz (Bukowina),
bedeutende deutschsprachige Lyrikerin des 20. Jh.,
stammte aus einer assimilierten jüdischen Beamtenfamilie
Abbildung der Schriftstellerin an der Außenseite ihres Geburtshauses
in Czernowitz (Bukowina), Photo: Emilian Fedorowytsch