Das Drama im dritten Waggon

Das Drama im dritten Waggon aus dem Roman Katharina der letzte Winter im Buchenland

Im dritten Waggon spielt sich ein Drama ab. Es ist eine verdammt schwierige Situation. Eine kranke Mutter von sieben Kindern erliegt einer schweren Infektionskrankheit. Sie war allein und hinterlässt Kinder im Alter von sechs bis fünfzehn Jahren. Bevor der Zug ohne die Frau weiterfährt, steigt Katharina um. Sie möchte nachsehen, ob sie helfen kann. Es ist unvorstellbar, was sich in diesem Waggon abspielt. Als Katharina in dem großen Durcheinander feststellt, dass sich niemand um die zurückgebliebenen Kinder kümmert, nimmt sie das Zepter in die Hand. Sie überlegt nicht lange, und entschließt sich die Kinder aufzunehmen. In der Zwischenzeit kümmert sich Katharinas Mutter um ihr Neugeborene und die anderen Kinder. Zum Glück helfen ihr die Insassen dabei. »Wir verstehen nicht, dass sich Katharina um die anderen Kinder kümmert, wo sie doch hier genug zu tun hat«, sagen sie. Als der Zug an der nächsten Station hält, kommt Katharina zurück, um ihrer Mutter und den Mitreisenden zu erklären, welches Drama sich im Nachbarwaggon abspielt. »Mama, ich glaube wir müssen uns um die fremden Kinder kümmern, weil keiner die Verantwortung übernehmen will?«, bringt Katharina ihrer Mutter vorsichtig bei. »Kind, du siehst doch was hier los ist. Wie wollen wir das schaffen?«, fleht ihre Mutter sie an. »Ich gehe noch mal rüber in den Waggon mit den Kindern!«, sagt Katharina, bevor das Zugsignal erneut ertönt. Die kommenden Tage im Zug sind für alle sehr anstrengend. Zum Glück haben sie ihre Schmalzfleischdosen, von denen sie sich noch ernähren. Einige Dosen haben sie gegen Brot eingetauscht. In diesem Durcheinander sehen Katharina und ihre Mutter keine andere Möglichkeit, als sich um die Kinder der verstorbenen Mutter zu kümmern. So kommen zu den eigenen sechs Kindern sieben weitere hinzu. Zum Glück sind die Kinder zum Teil schon groß und selbständig. Trotzdem können sie diese schwierige Lage nur mit fremder Hilfe überstehen. Es geht um das nackte Überleben. In diesen Situationen wachsen Menschen über sich hinaus. Die Unruhe ist groß, als die Insassen mitbekommen, dass sie die rumänische Grenze überqueren. Obwohl bei ihnen alte Erinnerungen wach werden, wissen sie nicht was sie erwartet. Ihre Häuser können sie nicht wieder bekommen. Über die Deutschen, die jetzt zurückkehren, wird man sich nicht freuen. Keine guten Voraussetzungen, um in die Heimat zu rückzukehren. »Dass alles so schlimm kommen wird, hätten wir nie gedacht. Was hat man nur mit uns gemacht?«, raunt es durch den Waggon. Nach einer langen Fahrt muss Katharina und ihre Mutter mit der großen Kinderschar auf dem Bahnhof in Wama in Rumänien aussteigen. Sie werden absichtlich nicht an den Ort zurückgebracht, in dem sie vor der Umsiedlung gelebt haben. Als sich Katharina, ihre Mutter und die vielen Kinder mit dem Gepäck auf dem Bahnsteig befinden, steht nebenan ein Zug mit sowjetischen Soldaten. Ein russische Soldatin kommt aus dem Zug auf die Gruppe zu und nimmt die kleine Emilia auf den Arm und verschwindet im Zug. Alle sind schockiert, weil sie befürchten, dass das Mädel entführt wird. Nach einem kurzen Augenblick bringt sie das Mädel zur Gruppe zurück. Die Schürze der Kleinen hat sie mit Lebensmitteln vollgestopft. »Die waren alle lieb zu mir«, erzählt Emilia anschließend in der Gruppe. Inzwischen nähert sich ihnen auch der Bahnhofvorsteher, der die Situation erkannt hat und bietet seine Hilfe an. Mit den rumänischen Worten: »Ich kann euch nicht helfen, ich kann euch aber für ein paar Tage einen leeren Raum im Bahn hofsgebäude zur Verfügung stellen. Ihr müsst mir nur versprechen, dass ihr euch bei der Gendarmerie anmeldet«. Katharina stimmt in der Not sofort zu: »Dass reicht uns ersteinmal«. Sie gehen müde und hungrig die knarrende Holztreppe in das Dachgeschoss des Bahnhofsgebäudes hinauf und bauen sich mit ihren Mänteln und Jacken ein provisorisches Nachtlager. Katharina und ihre Mutter kümmern sich um die beiden kleineren Kinder. Mit dem was Emilia in ihrem Schürzchen hat, können sie den ersten Hunger stillen. »Hauptsache wir haben ein Dach über dem Kopf«, versucht Katharina die Kinder zu beruhigen. Im Bahnhofsgebäude können sie Toiletten und Waschraum benutzen. Am nächsten Tag gehen sie zur Gendarmerie, um sich anzumelden. Als sie ihre Unterlagen vorlegen sagt man Ihnen, dass sie bei der Umsiedlung sämtliche Rechte als rumänische Staatsbürger aufgegeben haben. Jetzt sind sie geduldete deutsche Ausländer. Katharina und ihre Mutter erhalten ein Blatt Papier, auf dem handschriftlich ihre Personalien vermerkt sind. Für die Kinder erhalten sie zwei Listen, eine für die fremden und eine für die eigenen Kinder. In ihrer Not strömen die größeren Kinder aus und sammeln oder erbetteln was sie bekommen können. Mit dem was sie heranschleppen können sie die nächsten Tagen überleben. Katharinas Mutter geht es gesundheitlich schlecht. Neben Spätfolgen ihrer Niederkunft und den Strapazen im Zug machen sich bei ihr starke Erschöpfungszustände bemerkbar. Jetzt ist Katharina gefragt. Zum Glück überstehen sie im Bahnhofsgebäude die nächsten Tage ohne schwerwiegenden Folgen.