Das erste Schlachtfest

Das erste Schlachtfest

Als es Fredis Familie wirtschaftlich langsam besser ging, konnte das erste Schlachtfest stattfinden, das er bis heute nicht vergessen hat. Nach dem Schlachten sollte es häufiger Fleisch, Schmalz, Speck und Wurst geben. Alles leckere Dinge, die er nicht kannte.  

Zunächst musste die schwarzweiß gescheckte Sau aus dem offenen Verschlag auf dem Hof, in dem sie ihr Leben verbrachte, einen schweren Gang antreten. Alle liebten sie, denn sie gaben ihr alles was sie entbehren konnten. Säcke mit Brennnesseln, die seine Mutter an der Böschung der Ziethe sammelte und dabei reinfiel, Rüben, die sie auf den Feldern fanden und alle Essensreste. Obwohl das Schnarchen der Sau auf dem Hof nachts unüberhörbar war, hatte sie niemand weggeholt. Vielleicht hätte sie dann laut gequiekt. Es war der Winter 1949, als Fredi die Vorbereitungen seiner Mutter genau verfolgte. Endlich konnte sie sich wieder an alte Zeiten erinnern. Alles was sie tat hatte Routine. Fredi wunderte sich über große Mengen geschälter Zwiebeln und anderen Zutaten. Sein Vater hatte einen großen Holztrog und verschiedenes Werkzeug ausgeliehen. Der Schlachter, der sein eigenes Werkzeug mitbrachte, war bereits bestellt. Er war Maurer und arbeitete im Sommer auf dem Bau.

Die Freude war groß und Fredi war gespannt, was am nächsten Tag geschehen würde. Dann sollte die große dicke Sau, die sich inzwischen in ihrem Verschlag auf dem Hof nicht mehr umdrehen konnte, herausgeführt werden. Zum Glück ahnte sie nicht, was mit ihr geschehen sollte. Früh am Morgen wurde in der Waschküche der große Kessel angeheizt und Wasser gekocht. Noch im Dunkeln kam ein kleines Männlein mit Werkzeug, um sich an die Arbeit zu begeben. Ab jetzt durfte Fredi nicht mehr zusehen. Es begann eine schlimme Tortur für das arme Schwein. Bisher wusste niemand, dass der Hausschlachter selbst große Angst vor diesem Akt hatte. Immer wieder hörte Fredi ein fürchterliches quieken. Später bekam er mit, dass der Schlachter, der kein Schussgerät hatte und die Sau an den Hinterbeinen an einem Eisenpfosten anband, mit seinem großen Hammer mehrmals daneben schlug. Als sein Vater und der Schlachter den Kampf gegen die Sau gewonnen hatten, tranken sie schweißgebadet den ersten Schnaps. Vielleicht waren es auch zwei. Jetzt konnte Fredi wieder dabei sein. Hinterher hatte Fredi erfahren, dass der erste Schnaps  getrunken wird, wenn das Schwein am Haken hängt. Zunächst kam das Schwein in einen großen Trog und wurde mit heißem Wasser übergossen, weil die Borsten abgeschabt wurden. In Ostdeutschland wurde die Schwartenhaut des Schweins säuberlich entfernt und für die Lederherstellung an die Gemeinde abgeliefert. Erst danach konnte das Schwein zerlegt werden. Fredi weiß noch, dass der Schlachter sich wunderte, als seine Mutter ihm die gründlich gesäuberten Därme für die Würste übergab. Der Schlachter wusste noch nicht, dass Fredis Mutter bei der Herstellung der Wurst auch Hand anlegen würde. Sie wollte ihre eigenen Rezepte einsetzen. Es wurden Leber- und Blut- und Graupenwürste gefüllt und der Magen zur Schwartenwurst verarbeitet. Das Schlachtfest musste sich wohl im Dorf herumgesprochen haben. Von überallher kamen Leute. Sogar die Hamsterer aus der Stadt hatten sich dieses Datum gemerkt. Fredis Mutter hatte ein großes Herz und wollte alle an diesem freudigen Ereignis teilhaben lassen. Jeder bekam auch etwas ab. So wurde wirklich ein kleines Fest daraus. Wohl auch weil es ein Abschluss von der schlechten Zeit war. Am Ende durfte Fredi die Kesselbrühe mit kleinen Würsten in der Nachbarschaft verteilen. Er vergisst nicht, wie ihn seine Mutter abends ins Schlafzimmer führte und ihm die auf Besenstielen zwischen Stühlen hängenden Würste zeigte. Fredi durfte sich ein Bratwürstchen aussuchen, obwohl er damals nicht wusste, wie Bratwurst schmeckt. Den Geschmack der ersten Bratwurst hat Fredi bis heute nicht vergessen.