Die Anfangsjahre nach der Flucht

Die Anfangsjahre nach der Flucht  

Die ersten Jahre waren für Fredi und seine Familie schwierig. Für sie, die mit ein paar Habseligkeiten in Rucksäcken flüchteten, die auf dem Fluchtweg auch noch mehrfach geplündert wurden, war der Anfang besonders schwierig. Viele Flüchtlingsfamilien waren schon vor ihnen im Ort angekommen, so dass die Wohnungen knapp wurden. Nach der Ankunft im Dorf wurden sie vorübergehend in möblierten Wohnungen, die von Gutsbesitzern verlassenen wurden, untergebracht. Fredi kann sich daran erinnern, wie die herrschaftlich eingerichteten Zimmer auf ihn wirkten. Leider wurden diese Wohnungen Flüchtlingen nur kurze Zeit zur Verfügung gestellt. Als sich die sechsköpfige Familie im Winter auf Wohnungssuche begab, bekamen sie zwei kleine und feuchte Räume. Sie suchten sich Betten, Decken, Tisch und Stühle zusammen. Zum Kochen und Waschen stand ihnen eine Waschküche zur Verfügung. Wichtig war wieder einmal überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben. Nachdem sich Fredis Schwestern Ausweichquartiere suchten, entspannte sich die Situation etwas und als Fredis Vater als Übersetzter bei der Roten Armee arbeiteten konnte, bekamen sie zwei Zimmer neben einer Waschküche in einem alten und kleinen Gebäude in der Hofeinfahrt eines Gutshauses. Die beiden Zimmer mit einem alten Kohleherd richteten sie sich halbwegs her. Fredi kann sich daran erinnern, wie sie mit frischem Haferstroh ihre Strohsäcke für die Betten füllten. Diese kleine Wohnung wurde für etwa drei Jahre ihr zu Hause. In dem warmen Zimmer mit dem Kohleherd spielte sich alles ab. In einer Hofecke errichtete Fredis Vater Kaninchenställe und den Zwinger für ein Schwein. Langsam ging es aufwärts. Fredis Mutter bestach in Köthen eine Verkäuferin und erwarb eine Nähemaschine. Hierauf konnte sie endlich aus alten Stoffresten Hemden, Hosen und Jacken nähen. Fredi sah seiner Mutter häufig beim Nähen zu. Er kannte bald die Technik der Maschine und die Handgriffe seiner Mutter. Seine Mutter ließ sich einen großen Holzrahmen bauen, den sie zum Webrahmen herrichtete. Hierauf konnte sie aus alten Stoffresten kleine Teppiche weben. Fredi beschäftigte sich damals mit Laubsägearbeiten und pauste aus Kinderbüchern Motive auf Sperrholzplatten, die er aussägte und bemalte.

Bald wurden Kaninchen und ein Ferkel angeschafft. Es passte sich gut, dass Fredis Eltern jetzt zwei Morgen Ackerland bekamen. Seine älteste Schwester, die in Niedersachsen ihren Mann wiederfand und beim Umzug ihre beiden Schwestern mitnahm, hinterließ im Ort Freunde und Bekannte. Bald fand in dieser kleinen Wohnung auch die Hochzeitsfeier seiner mittleren Schwester statt. Nachdem für das Hochzeitsfest noch die Kaninchen geschlachtet wurden, konnte die Familie ein Jahr später das erste Schwein schlachten. Da die Anforderungen durch das eigene Ackerland ständig wuchsen, sahen sie sich nach einer Wohnung mit Stall um.

Bald zog Fredi mit seinen Eltern mit dem Handwagen in das Kranzsche Haus, in eine Wohnung mit Stall. Hier hatten sie zwar auch nur zwei hintereinander liegende kleine Zimmer, aber dafür einen Stall, einen Boden und einen Keller. Fredi fühlte sich hier bei den vielen Familien mit Kindern schnell wohl. Auch war sein Weg zur Schule jetzt kürzer. Aus der kleinen Küche, in der ein Kohleherd, ein Tisch mit Stühlen und eine Pritsche standen, konnte er den Kindern beim spielen vor dem Haus zusehen. Bald befand sich auch Fredi mitten in der Kinderschar. Sie erschraken, wenn abends die Fensterläden geschlossen wurden und Jugendliche dagegen hämmerten. Rundum fühlten sie sich hier wohl, wenn sie nicht eine Nachbarfamilie immer wieder bestohlen hätte. Obwohl es ihnen hier gefiel, verfestigte sich bei Fredis Mutter der Gedanke zu ihren Kindern nach Westdeutschland zu ziehen. Sie sprach nicht viel über die Gründe, die sie zum Umzug in den Westen bewegten.