Die Rückkehr

Die Rückkehr aus dem Roman Katharina der letzte Winter im Buchenland

In dieser schwierigen Situation kommt ihnen der Gedanke, den alten Heimatort aufzusuchen, obwohl sie das nicht dürfen. Vielleicht macht sich Katharina Hoffnung, dass Viorel ihnen hilft. Hier in Poschoritta kennen sie sich aus. Am nächsten Tag kommen sie mit dem Zug in ihrem Heimatort an. Hier hat sich inzwischen Vieles verändert. Die von den deutschen Familien verlassenen Häuser werden in zwischen von rumänischen Familien bewohnt. Nur wenige Deutsche sind zurückgeblieben. Sie bekommen mit, dass man hier nicht auf sie wartet. Als Erstes gehen Katharina und ihre Mutter zur Gendamarie, um sich anzumelden. Hier schickt man sie zur Gemeindeverwaltung. Dort legen sie ihre Ersatzpapiere vor: »Diese Bescheinigungen haben wir bei der Einreise in Wama erhalten«, erklären sie dem Beamten. Hier sagt man ihnen wie der, dass sie als „geduldete ausländische Deutsche“ registriert werden. »Jetzt haben wir es schwarz auf weiß, dass wir Deutsche sind«, stellt Katharinas Mutter beim Hinausgehen fest. Katharina hat eine Idee: »Dann gehe ich mit dem Kind zu Viorel!«. »Und was machen wir?«, fragt ihre Mutter. »Ich will sehen, wie er reagiert, wenn er mich und den Jungen sieht?«, beruhigt sie ihre Mutter. Bei Bekannten, die wegen ihrer Mischehe in der Bukowina geblieben sind, kommen sie unter. Obwohl diese ein größeres Anwesen haben, sagt ihnen der Mann, der mit einer Rumänin verheiratet ist: »Ihr könnt aber nicht lange hier bleiben. Ich werde sehen, ob ich ein verlassenes Haus für euch finde«. Damit macht er ihnen Hoffnung. Katharina hat sich inzwischen mit ihrem vierjährigen Jungen auf den Weg zu Viorel gemacht. Voller Wehmut nimmt sie unterwegs die Gegend wahr, die sie an bessere Zeiten erinnert. Unterwegs trifft sie Einwohner, die sie anspricht. Dabei stellt sie fest, dass man im Dorf weiß, dass sie mit ihrer Mutter und vielen Kindern eingetroffen sind. Bei der Frage nach Viorel halten sie sich zurück. Auf dem Weg zu Viorel erinnert sich Katharina daran, wie sie vor sechs Jahren mit ihrer Laterne durch den tiefen Schnee gegangen ist, um ihre Freundin Rosanah zu besuchen. Vielleicht kann sie auch dieses Mal mit Rosanah sprechen, wenn Viorel nicht zu Hause ist. Als sie vor dem Haus ankommen und sich bemerkbar machen, dieses Mal pfeift Katharina nicht, bleibt alles totenstill. Nach einiger Zeit brechen sie den erfolglosen Besuch ab und treten den Heimweg an. Ihrer Mutter erzählt Katharina, dass sie niemanden angetroffen haben. Inzwischen hat der Bekannte ein leerstehendes Haus ausfindig gemacht. »Morgen können wir uns das Haus ansehen«, erzählt Karl den Ankömmlingen. Als sie sich mit der Kinderschar auf den Weg dorthin machen, kommen sie an ihrem ehemaligen Haus vorbei. Sie nehmen sich vor auf dem Rückweg vorbeizuschauen. Auf einem zugewucherten Grundstück finden sie das besagte Haus. Es ist nicht nur ein verlassenes und leerstehenden Haus, es ist auch eine halbe Ruine. Zum Teil ohne Fenster und Türen. Das Dach scheint in Ordnung zu sein. Drinnen steht noch ein alter Kohleherd. »Karl, da sollen wir einziehen? Du meinst, dass Haus kannst du wieder in Ordnung bringen?«, fragt Katharinas Mutter. Karl meint etwas verlegen: »Ich werde es versuchen«. Ihnen wird schnell klar, dass sie keine andere Möglichkeit haben, wenn sie noch rechtzeitig vor dem Winter einziehen wollen. Sie müssen sich beeilen. Zum Glück hat Karl Zeit und kennt Leute, die bei der Arbeit anpacken. Das fehlende Material bekommt er auch zusammen. Auf dem Rückweg klopfen sie an die Eingangstür ihres alten Hauses. Mit den Kindern, die vor dem Haus spielen, haben sie bereits Kontakt aufgenommen. Eine junge Frau macht ihnen die Tür auf, wahrscheinlich die Mutter der vor dem Haus spielenden Kinder. Als sie auf rumänisch sagen wer sie sind, ist die Überraschung groß. Die Frau weiß jetzt nicht wie sie sich verhalten soll. Sie bittet die fremden Gäste in ihr Haus. Viel hat sich hier nicht verändert stellen sie fest, als sie auf der Bank Platz nehmen. Die Frau erzählt ihnen, dass ihre Familie 1940, als die Sowjets in Czernowitz einmarschierten, aus der Nordbukowina geflüchtet ist. Später hat ihnen die Gemeinde dieses Haus zur Verfügung gestellt. Auch in der Nachbarschaft wohnen Flüchtlinge aus der Nordbukowina. Nachdem Katharina und ihre Mutter ihre Geschichte erzählen, waren sie sich die Frauen über die verheerenden Folgen von Flucht und Vertreibung schnell einig. »Dora und Willi haben noch einige Zeit im Nachbarhaus gelebt. Dann soll ihnen ein Onkel aus Amerika Geld und Fahrkarten für die Ausreise geschickt haben«, sagt die Frau. Gleich am nächsten Tag beginnt Karl mit den Arbeiten am Haus. Aufgrund seiner guten Kontakte hat er das Haus nach zwei Wochen halbwegs hergerichtet. Die fehlenden Türen und Fenster wurden eingebaut oder zugenagelt und der Fußboden wurde repariert. Katharina, ihre Mutter und die großen Kinder haben inzwischen das Grundstück auf Vordermann gebracht. Durch die Mithilfe von Karl wurde im Ort die Inneneinrichtung zu sammengetragen. Auch Decken und Federbetten. Nach drei Wochen können Katharina mit ihrer Mutter und den Kindern das Haus beziehen. Alle sind glücklich. Jeder muss jetzt mit anfassen. Die großen Kinder nehmen im Ort leichte Arbeiten auf, um etwas Geld zu verdienen. Die kleineren Kinder sammeln was sie nur können. Inzwischen versucht Katharina immer wieder Kontakt zu Viorel aufnehmen. Über Viorel erfährt Katharina, dass er verheiratet ist. »Jetzt ist mir auch klar, warum er sich verleugnen lässt«, sagt Katharina verzweifelt zu ihrer Mutter. »Nicht einmal den Jungen will er sehen«, antwortet ihre Mutter. Später erfahren sie, dass Rosanah ausgezogen ist und woanders lebt. Diese neuen Erkenntnisse lassen die Frauen verzweifeln. Ihre ehemalige Heimat empfinden sie wie ein fremdes Land. Im Ort weiß man von den deutschen Neuankömmlingen. Sie haben Glück, dass sie den Winter ohne großen Schaden überstehen. Im Frühjahr besuchen sie Rumänische Arbeiter, die im Steinbruch von Katharinas Vater gearbeitet haben, um ihre alte Freundschaft zur Familie zu bekunden. In Rumänisch erzählen sie ihnen: »Der Steinbruch stand fünf Jahre still. Danach hat die Gemeinde einen Sprengmeister eingestellt und die Arbeit wieder aufgenommen. Seit dem arbeiten wir im Steinbruch«, erzählen die Männer. »Siehst du Mama, es gibt noch Menschen die sich an uns erinnern«, stellt Katharina hoffnungsvoll fest. Die große Enttäuschung folgt, als ein paar Tage später ein Mann mit einem Brief von der Gemeinde vor der Tür steht. In rumänisch erklärt er ihnen, dass er dieses Haus von der Gemeinde bekommen hat. Obwohl sie nicht begreifen, was er ihnen erzählt, beschließen sie verängstigt das Haus zu räumen. Der Bekannte sagt ihnen zu, sich auf die Suche nach einem anderen Haus zu begeben. Sie fügen sich und beurteilen das Verhalten der Gemeinde nicht weiter. Sie haben aber Glück, weil sie bald ein anderes leerstehen des Haus an einem schöneren Platz finden. Karl hat ihnen zugesagt, dass er auch dieses Haus wieder herrichten wird. Alles was sich im alten Haus befand, haben sie im Schuppen bei Karl untergebracht. Auch sie selbst wohnen vorübergehend wieder dort. Es dauert drei Wochen, bis sie in das Haus einziehen können. Auch den zweiten Winter haben die Frauen mit ihren Kindern überlebt. Vieles hat sich inzwischen eingespielt. Nach dem sie ein Jahr in dem Haus wohnen, sagt Katharina eines Morgens: »Ich hoffe, dass sie uns jetzt zufrieden lassen«. »Noch einmal möchte ich das nicht erleben«, hofft ihre Mutter. Was sie aber noch nicht wissen ist, dass man ihnen auch dieses Hause wegnehmen will. Im Frühjahr erscheint ein Pope, ein orthodoxer Priester, mit einem Brief der Gemeinde, um das Haus in Besitz zu nehmen. Nur dieses Mal nehmen die beiden Frauen ihren ganzen Mut zusammen und jagen den Priester davon. Katharinas Mutter ist empört: »Statt uns zu helfen, will uns der Pope das Haus wegnehmen. Wo sind wir denn da?«. »Mama, du hast gut reagiert. Ich habe uns schon ausziehen sehen«, steht Katharina ihrer Mutter bei. Sie haben nie wieder etwas von dem Pope gehört. Auch hat die Gemeinde sie von nun an zufrieden gelassen. Dieses Geschehen hat bei den Frauen zu der Erkenntnis geführt, dass sie dieses Leben nicht ewig führen können. Zu den verbliebenen Deutschen und zu rumänischen Familien haben sie inzwischen Kontakt aufgenommen. Auch die sind über das Verhalten der Gemeinde entsetzt. »Wir können nichts dafür was Hitler mit den Juden gemacht hat?«, machen sie den Menschen im Ort klar. In Rumänien zeichnen sich in dieser Zeit bereits kommunistische Tendenzen ab. Bis auf die beiden kleineren Kinder gehen die großen jetzt in die rumänische Schule. »Das können wir nicht ändern«, kommentiert Katharina, »den Deutschunterricht bekommen sie von mir«. Dass Rumänien kein Königreich mehr ist, haben Katharina und ihre Mutter bei der Einreise erfahren. Bei der Ankunft hat ihnen Karl erzählt, wie man hier mit den Deutschen umgeht. »Ihr braucht keine Angst zu haben, dass euch die Kommunisten zur Zwangsarbeit nach Sibirien verschleppen. Mit Frauen und Kindern können sie nichts anfangen«, erzählt ihnen Karl hinter vorgehaltener Hand. Obwohl sie nicht mehr in der alten Gemeinschaft leben, haben sich die Frauen mit der Situation abgefunden. Zunächst bleibt ihnen auch nichts anderes übrig. Jahre später erscheint ein Tages die Schwester der im Zug verstorbenen Mutter. Sie hatte über das Rote Kreuz erfahren, wo sich die Kinder ihrer verstorbenen Schwester aufhalten. Mit den Sätzen, »Guten Tag, ich bin die Schwester der verstorbenen Mutter. Ich möchte euch finanziell unterstützen und die Kinder meiner verstorbenen Schwester mit nach Westdeutschland nehmen«, beginnt sie die Unterhaltung. »Wie sie sehen, sind aus den Kindern inzwischen Jugendliche geworden!«, kontert Katharina zunächst. »Die Papiere für die Ausreise habe ich dabei«, erklärt sie beiden Frauen. Katharina und ihre Mutter sind perplex. Sie sehen ein, dass sie sich mit der neuen Situation abfinden müssen. Sie können sich nicht vorstellen, dass eines Tages ein Engel erscheint, der sich um die fremden Kinder kümmert. Sie fragen: »Dass geht so einfach?«. »Aber ja, ich habe mit viel Mühe die Ausreiseunterlagen zusammenzubekommen«, antwortet die Fremde. Die Kinder kennen ihre Tante nicht und befürchten, dass sie entführt werden sollen. Nachdem Katharina und ihre Mutter die Unterlagen der Frau genau studieren, können sie die Kinder beruhigen. Jetzt fällt auch ihnen ein Stein vom Herzen. »Nach
Deutschland wollten wir auch mit Mama ausreisen«, sagte die große Jugendliche zur Besucherin. »Seht ihr, jetzt bin ich hier und bringe euch dort hin«, versucht die Fremde sie zu beruhigen. Die Kinder, die zum Teil zu Jugendlichen herangewachsen sind, bilden jetzt zwei Gruppen. Während die fremden Kinder nun von der Frau mehr über Deutschland erfahren möchten, wissen die eigenen Kinder nicht, wie sie mit der neuen Situation umgehen sollen. Kommst du aus dem goldenen Westen?«, wollen die Kinder wissen. »Ja, ich komme aus Dortmund in Westdeutschland«, bestätigt die Tante. »Im Westen soll es den Menschen besser gehen, als im Osten?«, hinterfragt die Jüngste. »Ihr habt mehr zu Essen und bessere Kleidung«, ergänzt die Ältere. Eine ganze Zeit lang gehen die Gespräche zwischen der fremden Frau und den Kindern hin und her. Irgendwann fragt Katharina die Kinder: »Bei uns hat es euch doch gefallen?« »Ja, ja«, ruft die Schar zurück. »Pilze suchen und Beeren sammeln hat uns viel Spaß gemacht!«, bestätigen sie. Katharina und ihre Mutter versuchen die Traurigkeit bei den eigenen Kindern zu vertreiben. Zum Glück haben sich bei ihnen keine Neidgefühle entwickelt. Es dauert noch einige Zeit, bis die Frau mit den Kindern die Ausreise antreten kann. Auf einen Schlag war die Familie kleiner geworden. »Schade, wir haben uns so an sie gewöhnt«, sagen Katharina und ihre Mutter, als sich die Tante mit den fremden Kindern verabschiedet. »Aber jetzt haben wir es vielleicht etwas leichter. Nur müssen wir die Arbeiten neu aufteilen«, sagt Katharina zu ihrer Mutter. Hinterher erfahren sie, dass Westdeutschland für die deutschen Rücksiedler bezahlt hat. Sie wurden herausgekauft. Obwohl die eigenen Kinder und Jugendlichen jetzt mehr über Deutschland sprechen, wollen sie nicht ausreisen. In Bescheidenheit leben sie noch einige Jahre in ihrem alten Haus. Hier fühlen sie sich wohl, weil sie alles schön hergerichtet haben. Auch der Tagesablauf funktioniert gut. Inzwischen sind die Kinder, bis auf die beiden Kleinen, im Erwachsenenalter. Die Zwillinge Peter und Paul sind im Sommer 19 Jahre alt geworden. Nach der Schule haben sie im Sägewerk gearbeitet. Eine richtige Lehre konnten sie dort nicht machen. Ilona ist inzwischen 22 Jahre. Sie hat gerade ihre Lehre als Schneiderin abgeschlossen. Die 23jährige Elsa hat gleich nach der Schule in der Webstube angefangen. Der auf der Flucht geborene Johannes ist sieben Jahre alt geworden und soll eingeschult werden. Katharinas Sohn Dieter geht seit drei Jahren in die rumänische Schule. Deutschunterricht bekommt er von Katharina. Inzwischen sind alle Kinder im Ort verwurzelt. Katharina und ihre Mutter haben lange überlegt, ob sie sie aus ihrer Umgebung herausreißen sollen. Katharina drängt jetzt darauf, dass die Kinder und die inzwischen Erwachsenen eine bessere Zukunft haben sollen. Hier im Ort sieht sie keine Chancen.