Essen für den Vater


Essen für den Vater aus dem Roman Katharina, der letzte Winter im Buchenland von Alfred Wanza

Nach Ostern beginnt sehr schnell der Alltag. Wenn Katharina Zeit hat, bringt sie ihrem Vater mittags das Essen in den Steinbruch. Sonst übernehmen ihre Geschwister diese Aufgabe. Katharina macht sich auf den Weg. Es ist ein schöner Weg, auf dem es ihr nie langweilig wird. Sie geht an kleinen Häusern vorbei einen steilen Weg hinauf. Der Weg endet in einem Pfad mit zwei Spuren, die Räder der Pferdewagen hinterlassen haben. Es blühen schon viele Blumen an den Rändern, die sie alsKind gerne gepflückt hat. Vor den Bergen Adam und Eva machen Nachbarn das erste Heu. Es duftet nach Blumen nd Gras. Nur vorbeifahrende Züge verbreiten Qualm und Gestank. Auf der anderen Seite führt eine Böschung hinunter zu den Bahngleisen. Die hier vorbeischnaubenden Züge bringen Abwechslung. Bei Nordwind hört man das Schnauben der Dampflokomotiven bis nach Hause. Heute sieht Katharina weder Züge noch Adam und Eva. Ihr kommt Viorel in den Sinn. Vielleicht, weil sie auf dem Weg zum Steinbruch an seinem Haus vorbei kommt. Sie haben sich für heute Nachmittag verabredet. Noch weiß sie nicht, ob sie es schaffen wird ihn zu besuchen. Durch die Grübelei kommt sie mit Verspätung im Steinbruch an. Aus der Ferne sieht sie, wie die Männer auf sie warten. Die Kinder von anderen Arbeiten sind schon angekommen. An dere kommen ihr bereits entgegen. Sie beeilt sich jetzt. Als sie den warmen Topf auf den staubigen Tisch vor der Arbeiterwerkstatt abstellt, erwart sie eine Lektion. Katharina ist überrascht als ihr Vater und ihr Onkel friedlich bleiben, obwohl sie einen riesigen Hunger haben. Ihr Vater fragt nur: »Was hast du uns Schönes mitgebracht?« Als Katharina Beiden erklärt was es ist und die Töpfe öffnet, kommt ihnen der angenehme Essensgeruch entgegen. Sie fragen, ob sie auch Milch mitgebracht hat. Die ist bei der staubigen Arbeit wichtig. »Natürlich habe ich daran gedacht«, erwidert sie. Frisches Wasser holen sich die Männer aus der Quelle am Berg. Während die Männer zu essen beginnen, setzt sich Katharina zu ihnen und fängt ein Gespräch an. Sie spürt, dass die Männer in Eile sind, weil Pferdefuhrwerke auf die Beladung warten. Katharina kommt es sehr entgegen, denn sie möchte sich auf den Rückweg machen. Als sie dass Geschirr verstaut sieht sie wie Arbeiter mit langen Eisenstangen und riesigen Hämmern Löcher in die Felsspalten schlagen. »Was machen die Männer mit den Eisenstangen?«, fragt sie ihren Vater: »Sie schlagen Löcher für die Dynamitkapseln in den Felsen. Wenn sie fertig sind werde ich mit dem Seil hochsteigen und sie in die Löcher stecken und mit Zündschnüren verbinden. In zwei Stunden, wenn die Fuhrwerke weg sind, werden wir sprengen«. Jetzt sieht sie auch das große Signalhorn an der Schuppenwand hängen, mit dem ihr Vater die Sprengungen ankündigt. Das Signal hören sie manches Mal auch zu Hause. Einmal kam ihr Vater mit Schürfwunden und blauen Flecken am Körper nach Hause, weil sich bei feuchtem Wetter die Sprengung verzögert hatte und er nachschauen musste. Katharina fällt die Verabredung mit Viorel wieder ein und sie verabschiedet sich schnell. Auf dem Rückweg macht sie einen kleinen Umweg. Viorel wohnt mit seiner Familie im Norden von Poschoritta, gleich hinter der Bahnstrecke. Ein breites Tal mit Bauernhöfen. Katharina benötigt noch einen halben Kilometer bis zum nächsten Bahnübergang. Hier gibt es keine Schranken. An diesem Übergang ist im letzten Jahr ein Pferdefuhrwerk mit Schotter vom Steinbruch verunglückt. Obwohl der Kutscher den Zug gesehen hatte, sind seine Pferde in Panik geraten und auf den Gleisen stehen geblieben. Statt abzusteigen, versuchte er die Pferde weiter anzutreiben. Der Zug ist in das Gespann gerast und hat es hunderte Meter mitgeschleift. Es muss ein schreckliches Unglück gewesen sein. Noch heute spricht man im Dorf darüber. Während sie sich diese Situation vorstellt, überquert sie die Schienen. Nach einem Kilometer steht Katharina vor dem Elternhaus von Viorel. Vor dem Haus pfeift sie eine vereinbarte Melodie. Es dauert nicht lange bis Viorel in Holzschuhen aus dem Stall kommt. Er hat gerade den Kuhstall ausgemistet, da seine Eltern bei der Heuernte sind. Die Beiden setzen sich auf die Bank vor dem Haus, die bereits im Schatten steht und sprechen über belanglose Dinge. Irgendwann erzählt sie Viorel, dass sie ihrem Vater das Essen vorbeigebracht hat und schon länger unterwegs ist. Katharina erwähnt, dass sie zu Hause erwartet wird, weil Sommergäste eintreffen.