Katharina und Viorel
Katharina und Viorel aus dem Roman Katharina, der letzte Winter im Buchenland von Alfred Wanza
Jeden Tag geht Katharina in die Webstube. Dort haben sie
jetzt viel Arbeit, um die vor Weihnachten bestellten Teppi
che zu weben. Weil sie ihre Teppiche am Ende selbst be
staunen kann, macht ihr die Arbeit Spaß. Zu Hause webt sie
Abend für Abend an dem Stoff für ihren Hosenanzug.
Abends kommen häufig die Nachbarfrauen zur gemeinsa
men Heimarbeit zusammen. So nimmt sie an dem Dorf
klatsch teil und hört manche Anekdote aus vergangener
Zeit. In der Webstube gibt sie die Geschichten zum Besten.
Am Samstags arbeitet Katharina nur bis Mittag. Fröhlich
macht sie mit den Kolleginnen Feierabend. Als sie nach
Hause geht, sieht sie auf der anderen Straßenseite einen
Schlitten mit zwei Pferden.
Sie geht daran vorbei und erschrickt, als der Kutscher mit
seiner Peitsche laut knallt. Sie dreht sich um und spürt wie
sie rot wird. Als Katharina den Kutscher erkennt denkt sie
im ersten Moment, was macht den Viorel hier.
Erst als er sie zu sich auf den Schlitten winkt fällt ihr ein,
dass er sie von der Arbeit abholt. Sie setzt sich in die Kut
sche und packt sich in eine Decke ein.
Ihre Sprachlosigkeit verdrängt sie mit den überflüssigen
Worten: »Willst du mich abholen?«. Viorel antwortet: »Ich 48
will dich überraschen«. »Das ist dir gelungen«, bringt sie ge
rade noch über ihre Lippen.
Mit dem Geläut der Glöckchen an den Pferdehalftern fahren
sie an den winkenden Kolleginnen vorbei. Katharina ist jetzt
alles furchtbar unangenehm.
Als Viorel zu Katharina sagt: »Wir fahren durch das Tal und
dann setze ich dich zu Hause ab«, nickt sie. Ob er ihr Ni
cken gesehen hat, weiß sie nicht.
Für Katharina ist es ein schönes Gefühl in einem Schlitten
mit zwei Pferden nach Hause gebracht zu werden. Diese Ge
spanne fahren sonst an ihr vorüber.
Es ist wunderschön durch das tief verschneite Tal zu gleiten.
Die Begleitmusik der Glöckchen an den Pferdehalftern löst
in ihr eine wundersame Stimmung aus.
Viorel sitzt auf dem Kutscherbock und führt seine beiden
Pferde ohne etwas zu sagen. Sie wünscht sich jetzt, dass der
Weg nie endet.
Im leichten Trab überqueren sie die Moldova und kommen
an den tief verschneiten Wäldern und an den Bergen Adam
und Eva, um die sich viele Geschichten ranken, vorbei. Ihre
eigene Geschichte behält sie stattdessen für sich. Der blaue
Himmel und die verschneite Landschaft geben einen schö-
nes Bild ab. 49
Auf Umwegen kommen sie nach einiger Zeit an ihrem El
terhaus an. Hier wartet bereits die Familie vor dem Tor. Man
hat sie vermisst. Ihre Eltern und ihre kleineren Geschwister
sind begeistert, als sie das Gespann sehen.
Als Viorel es merkt, winkt er die Kleinen in den Schlitten.
Im nu sind sämtliche Plätze belegt. Viorel wendet mit dem
Gespann, als Katharina ihm sagt: »Ich glaube, meine Eltern
wären auch gern eingestiegen?« Darauf antwortet er verle
gen: »Leider haben wir keinen Platz mehr«.
Mit einem Peitschenknall fahren sie los. Katharinas Ge
schwister, die sich in Decken eingepackt haben, fühlen sich
jetzt wie kleine Schneekönige. Die Fahrt ist nach einer hal
ben Stunde viel zu schnell vorbei.
Auch am nächsten Tag erzählen sie von der Schlittenfahrt
und immer wieder fragen sie: »Wann kommt Viorel mit dem
Pferdschlitten vorbei?«
Wenn Rosanah im Dorf ist, besucht sie Katharina in der
Webstube. Hier haben sie viel zu besprechen. Rosana lädt
Katharina Sonntag zu sich nach Hause ein. »Viorel und ich
holen dich früh mit den Pferden ab und bringen dich auch
wieder nach Hause«, sagt sie. »Ich freue mich schon dar
auf«, antwortet Katharina schmunzelnd.
Schon über ganze die Woche freut sich Katharina auf diesen
Besuch. Ihre Kolleginnen reagieren neidisch und ihre Mutter 50
meint nur: »Denk daran, dass du deinen Stoff fertig webst.
Den Schnitt für den Hosenanzug habe ich schon vorberei
tet«. »Bis Weihnachten werde ich das nicht mehr schaffen!«,
antwortet Katharina gleichgültig.
»Du wirst dich doch nicht in Viorel verliebt haben?«, fragt
ihre Mutter ungläubig. Allen fällt auf, dass sie gut gelaunt
ist. Sie kann nicht abwarten, dass Sonnabend nach der Ar
beit der Schlitten mit den Pferden vor der Webstube steht.
Bei ihrem Besuch bei Rosoanah ist die Zeit schnell vergan
gen. Als Viorel die Pferde anspannt und sie nach Hause
bringt, sagt er Katharina unterwegs, dass er sie nächsten
Sonnabend wieder abholen wird. Es sind die letzten Tage
vor Weihnachten.
Viorel verspricht Katharina den Besuch aus Czernowitz vom
Bahnhof abzuholen. »Es soll eine Überraschung für die Gäs
te werden«, überlegt sie sich.
Die Schultage vor den Weihnachtsferien sind in Czernowitz
bald zu Ende. Katharinas Tante Irmgard, ihr Mann und ihre
beiden Mädel bereiteten sich auf den Besuch in den Karpa
ten vor.