Weihnachtszeit im Buchenland

Weihnachtszeit im Buchenland

Weihnachtszeit im Buchenland aus dem Roman Katharina, der letzte Winter im Buchenland von Alfred Wanza

Die Tage sind kürzer geworden. Im Tal wird es schon früh dunkel. Schnee und Kälte bestimmen im Winter das Leben in den Karpaten. Es kostet viel Kraft die Wege freizuhalten. Die meiste Arbeit haben die Männer mit ihren Pferden, um mit dem Schneepflug die Wege im Dorf befahrbar zu machen. Die Menschen bleiben lieber in ihren warmen Häusern und hoffen, dass die Vorräte ausreichen. Die Jahreszeiten und die Natur bestimmen ihren Lebensrhythmus. Katharinas Familie ist vor Weihnachten stark beschäftigt. Es gilt viel vorzubereiten. In der Adventszeit sind die langen Abende am warmen Ofen dafür genau das Richtige. In den Häusern kehrt Ruhe ein. In diesem Jahr wird Katharinas Tante und ihre Familie aus Czernowitz zum Weihnachtsfest anreisen. »Dann erfahren wir wieder Neues aus der Stadt«, denkt Katharina. Sie ist sehr gespannt, weil sie irgendwann selbst in die Stadt ziehen wird. Durch die häufigen Besuche in der Stadt hat Katharina ein gespaltenes Verhältnis zum Dorfleben. In Czernowitz gibt es Vieles, was es hier im Dorf nicht gibt. Dort gibt es Straßenbahnen, eine Universität und ein wunderschönes Theater. Die vielen modernen Geschäfte haben Katharina stark beeindruckt. Viele kluge Köpfe leben in der Stadt. Czernowitz ist nicht nur die Hauptstadt der Bukowina, Czernowitz hat auch internationales Flair. Czernowitz ist ein Mikrokosmos mit vielen Völkern. Leben und leben las[1]sen heißt hier die Devise. Die alte Habsburger Atmosphäre müssen die Machthaber mittragen, ob sie wollen oder nicht. Wien ist hier näher bei den Menschen als Bukarest. Tiefsinnig denkt Katharina jetzt über ihr Leben auf dem Lande nach. Sie hat am eigenen Leib die Veränderungen er[1] fahren. Obwohl sie mit den Rumänen gut auskommen, fal[1]len ihr immer wieder die Veränderungen auf. Seit einem Jahr haben sich die rumänischen und deutschen Regierungen angenähert. Plötzlich schlägt ein Stimmungsumschwung bis zu den Menschen durch. Die rumänische Regierung hat ihre nationale Rumänisierungspolitik gegenüber der deutschen Minderheit deutlich abgeschwächt. Man redet jetzt über Nazideutschland und Hitler. Bislang fühlte sich die deutsche Minderheit allein gelassen. Katharina versteht diesen Stimmungswandel nicht, obwohl sie hofft, dass sich gerade für die jungen Deutschen in der Bukowina etwas zum Besseren verändert. In ihren Gedanken lässt sie die vergangenen Jahre Revue passieren. Aus der Vergangenheit kennt sie die schrecklichen Geschichten über ihre Großväter. Einer von ihnen ist im hohen Alter bei Arbeiten im Steinbruch abgestürzt und tödlich verunglückt. Der Vater ihrer Mutter hat nach dem Krieg die Schmiede aufgegeben und ist bei der Entschärfung von Material aus dem Ersten Weltkrieg tödlich verunglückt. Nur die Baba hat alles gesund überlebt. Jetzt kümmert sich Katharina um sie, denn die Baba ist im Alter krank und schwach geworden. Sie denkt auch an ihre Mutter, die morgens um vier aufsteht und schon drei Stunden Arbeit hinter sich hat, bevor sie die Kinder versorgt. Sie hat dann schon die Kuh auf die Weide gebracht und den Haushalt gemacht. Katharina hat mitbekommen, was die Menschen hier leisten und trotzdem zufrieden und glücklich sind. Während ihr Vater sechs Tage in der Woche im Steinbruch schwer arbeitet, kümmert sich ihre Mutter um Haus, Garten und Kinder. Neben der Gartenarbeit und der Versorgung der Tiere stellt ihre Mutter viele Kleidungsstücke her, backt, kocht und versorgt die ganze Familie. »Mit der Arbeit ist es hier so eine Sache«, fängt Katharinas Vater an zu erzählen. »Ich weiß, dass man mit dem Geld, dass ich verdiene, keine großen Sprünge machen kann. Dafür kann ich aber zu Fuß in den Steinbruch gehen. Die Waldarbeiter kommen erst Sonntag nach Hause, um sich auszuruhen und um für die Woche Proviant mit in den Wald zunehmen. Hier arbeiten sie schwer und schlafen in Hütten«. »Wir haben aber manchmal Angst um dich. Du hast überall blaue Flecke«, bemerkt Katharina. »Wenn etwas passiert, dann muss ich nachschauen. Dabei kann dann etwas passieren«, erklärt er Katharina.