Czernowitz (Bukowina) – Historisches Kurzportrait

Czernowitz (Bukowina): Historische Retrospektive auf die frühere Hauptstadt und das politische, wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der Bukowina

Czernowitz im Dunst der historischen Vergangenheit

Die Ursprünge von Czernowitz, der ehemaligen Hauptstadt der Bukowina, liegen im Dunst der historischen Vergangenheit. Durch die Bukowina marschierten Völker der „Rus“ (Herrschaftsbereich des auf altukrainischem Boden bestehenden Großfürstentums Kiew), Tataren, Ungarn, Rumänen, Schweden, Polen, Türken, ukrainische Kosaken, Russen, Österreicher Deutsche u. a.. Eine Konstante, die sich über Jahrhunderte hinweg durchzog, war der griechisch-orientalische (d. h. griechisch-orthodoxe) Glaube, der ein Bindeglied zwischen den orthodoxen Rumänen und Ruthenen (Ukrainern) bildete.

In einem Dokument aus Suczawa, der damaligen Hauptstadt der Moldau, das in kirchenslawischer Sprache, die damals allgemein als amtliche Urkundensprache benutzt wurde, verfasst ist, wird Czernowitz, am 8. Oktober 1408 (unserer Zeitrechnung) erstmalig unter einem bestimmten Datum genannt, während in einem Städteverzeichnis des ruthenischen (ukrainischen) Fürstentums Halytsch aus dem 12. Jahrhundert bereits ein „Cern-Askyi“ am Pruth aufgezählt wird, unter welchem wohl mit Recht Czernowitz vermutet werden kann. Die Niederlassung war derzeit eine Zwischenstation auf dem Weg von Suczawa nach Lemberg. Sie wurde hauptsächlich von Handel treibenden Deutschen und Armeniern gegen entsprechende Zollabgaben genutzt.

Nach Verlust der Eigenständigkeit des Fürstentums Halytsch-Wolhynien, das im mächtigen Litauisch-Polnischen Staatsverbund aufging, wurden die Bukowiner Gebiete Teil des 1359 gegründeten rumänischen Fürstentums Moldau, das sich aufgrund kriegerischer Einwirkungen ab 1512 unter den Schutz und die Oberhoheit der Türkei stellte.

Obwohl Czernowitz im Zuge der moldauischen Herrschaft einen gewissen Nutzen aus der Selbstverwaltung auf Basis der Privilegien deutschen Rechts zog, konnte sich die Niederlassung aufgrund der umwälzenden gewalttätigen Ereignisse jener Zeit nicht richtig entfalten. Positive Ansätze dazu wurden häufig durch Feuer und Schwert zunichte gemacht. Aufgrund der günstig gelegenen Furt über den Fluss Pruth ließ der Neuaufbau nie lange auf sich warten. Die früheste regionale Bedeutung zeichnet sich Mitte des 15. Jahrhunderts ab, als die Ansiedlung zum Mittelpunkt eines Distrikts erhoben worden ist. Bemerkenswert ist, dass die Stadt in einer Fürstenurkunde vom 15. März 1490 als „misto“ (Stadt) bezeichnet wird, weil es sich dabei um ein slawisches Wort handelt, wogegen in den moldauischen Quellen sonst „targ“ (Markt) verwendet worden ist. Dennoch ist es Czernowitz seinerzeit nicht gelungen, sich zu einer bedeutenden Handelsstation aufzuschwingen. Die Stadt blieb bis zum Ende der moldauischen Herrschaft in dieser Region Zollstelle.

Aufstieg der Stadt Czernowitz unter Osterreich und den Buchenlanddeutschen

Nach der Annexion der Bukowiner Gebiete durch Österreich im Jahre 1774 fanden Czernowitz und die Bukowina Anschluss an den Donauraum, der eine gänzlich andere fortschrittlichere Tradition aufwies. Unter Führung Österreichs und prägendem Einfluss der Buchenland-Deutschen erfuhr die Bukowina, das östlichste, kleinste und später multinationalste Kronland Habsburgs eine unglaublich fortschrittliche Entwicklung. Czernowitz stieg aus dem Nichts zum politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum der Bukowina auf, so dass es nach dem „Bukowiner Ausgleich von 1910“ sogar als Muster eines Vereinten Europa im Kleinen galt. Über 12 Nationalitäten und rund ein halbes Dutzend Religionsbekenntnisse und dennoch ein relativ friedliches Zusammenleben – das war schon eine Leistung. Da keine Nationalität eine absolute Mehrheit besaß war Toleranz angesagt, denn keiner wollte vor den anderen Nationalitäten ausscheren und an den Pranger gestellt werden. Selbstverständlich trugen die politischen und organisatorischen Vorgaben der Landesführung ihren Teil zu den geordneten Verhältnissen bei. Die Stadt Czernowitz entwickelte sich zum größten Handels- und Kulturzentrum der Bukowina, war Verwaltungs-Sitz des „Griechisch-Orthodoxen Religionsfonds“, des größten Grundbesitzers und Wirtschaftsbetriebes der Bukowina, war eine große Garnisonstadt und ab 1873 Sitz des Metropoliten, dem alle Orthodoxen der im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder unterstellt waren.

Der Abgang Österreichs 1918, der Einmarsch Rumäniens und das Ende der liberalen Bukowina

Nach verlorenem Krieg musste Österreich die Bukowina an das Königreich Rumänien abtreten. Unter der rigorosen Rumänisierungs – Politik Rumäniens hatten die Landesbewohner aller anderen Ethnien stark zu leiden. Nach Einmarsch der Russen in die Nord-Bukowina und Czernowitz – Mitte 1940 – entschlossen sich fast alle Buchenlanddeutschen – auch die Deutschen der rumänisch gebliebenen Süd-Bukowina – dem Ruf Deutschlands „Heim ins Reich“ zu folgen und verließen die Bukowina innerhalb des vierten Quartals 1940 in 3 großen Zugtransporten via Deutsches Reich. Damit war das Wirken des Deutschtums in der Bukowina, insbesondere in der Nord-Bukowina bis auf kleinere Reste erloschen.

Czernowitz 2025: Hauptstadt der ukrainischen Oblast Cernivci – geblieben ist der „ewig währende Geist von Czernowitz“

Seit 1991 gehört Czernowitz zur freien Ukraine und ist Haupt stadt der Oblast Cernivci. Die deutsche Sprache und Kultur wird vom Österreichisch-Deutschen Verein im „Deutschen Haus Czernowitz“ gepflegt. Nicht nur die wenigen Deutschstämmigen, sondern auch Ukrainer und anderen Ethnien der Stadt zeigen sich sehr interessiert und hauchen dem Verein beständig Leben ein.

Übrigens beherrschen über 3.000 ukrainische Bürger dieser großen Universitätsstadt die deutsche Sprache in Wort und Schrift was eine interessante Basis für die internationalen Beziehungen kultureller und wirtschaftlicher Art zu Deutschland und Österreich darstellt.

Verfasser: Emilian Fedorowytsch
Deutschland, 20. Januar 2025